Korridor VIII freigeräumt?
Balkan-Nachbarn einigen sich im Streit um Paneuropäischen Verkehrskorridor. Nach monatelanger Verstimmung haben sich Vertreter Bulgariens und der Republik Nordmazedonien sowie der europäischen Finanzinstitute EIB und EBRD bei einem Arbeitstreffen am 31. Oktober auf die technischen Parameter für die Verknüpfung der bulgarischen und mazedonischen Strassen- und Schienennetze entlang des Paneuropäischen Verkehrskorridors VIII verständigt.
In Sofia vereinbarten die Nachbarn einen neuen Zeitrahmen für die notwendigen Baumassnahmen im bulgarisch-mazedonischen Grenzgebiet und ein Ausschreibungsverfahren, um die grenzüberschreitende Tunnelanlage Deve Bair von einem einzigen Auftragnehmer errichten zu lassen.
Damit scheint eine monatelange bilaterale Kontroverse über gemeinsame Verkehrsinfrastrukturprojekte für den Paneuropäischen Verkehrskorridor VIII zumindest vorläufig beigelegt zu sein.
Eigentlich sollte der Korridor die beiden Balkanländer verbinden und erstmals eine Eisenbahnstrecke zwischen ihren Hauptstädten Skopje und Sofia schaffen. Doch kurz nach ihrem Amtsantritt im Frühsommer 2024 begann Nordmazedoniens nationalistische Regierung von Ministerpräsident Hristijan Mickoski ihn als politisches Druckmittel gegen seinen nördlichen Nachbarn Bulgarien einzusetzen.
Auf Veranlassung Bulgariens verlangt die EU-Kommission von Nordmazedonien die Erwähnung der bulgarischen Minderheit in der mazedonischen Verfassung als Voraussetzung für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen.
In einer Art Retourkutsche kündigte Regierungschef Mickoski im Juli an, sein Kabinett werde von der EU-Kommission für Verkehrsprojekte entlang des Korridors VIII gewährte Finanzmittel umwidmen zugunsten von Bauvorhaben entlang des Korridors X, der von Salzburg über Belgrad und Skopje zum Ägäishafen Thessaloniki verläuft.
Kurze Strecke mit grosser Bedeutung
Der knapp 1000 km lange Paneuropäische Verkehrskorridor VIII soll künftig den albanischen Adriahafen Durres über Skopje mit den bulgarischen Schwarzmeerhäfen Varna und Burgas verbinden. Er schlägt damit im weiteren Sinne eine Brücke zwischen Italien und Zentralasien.
Ihm wird nicht nur grosse Bedeutung für den zivilen Güterverkehr zugemessen, sondern auch militärische, etwa für Truppen- und Materialtransporte der Nato im hypothetischen Ernstfall in der Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Als Bulgarien 2018 die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, kündigte es die Realisierung der Strassen und Schienenstrecken im bulgarisch-mazedonischen Grenzgebiet bis zum Jahr 2025 an. Inzwischen gilt das Jahr 2030 als frühestmöglicher Zeitpunkt für ihre Vollendung. Hätte die Regierung in Skopje ihre erklärte Absicht tatsächlich umgesetzt, wäre die Realisierung des Korridors in noch weitere Ferne gerückt.
Obwohl die EU-Kommission über ihre Finanzinstitute der Republik Nordmazedonien Zuschüsse und Kredite zur Errichtung der rund 560 Mio. EUR teuren Eisenbahnstrecke von Kriva Palanka zur bulgarischen Grenze zur Verfügung gestellt hat, stellte Nordmazedoniens Verkehrsminister Alexander Nikoloski insbesondere ihre Wirtschaftlichkeit in Frage. So seien für die 24 km lange Trasse in dem bergigen Grenzgebiet 22 Tunnels zu bauen und 20 Wohnhäuser in Kriva Palanka abzureissen.
Zudem warf Nikoloski Bulgarien vor, es habe seine technische Entwurfsplanung für sein 1194 m langes Teilstück des Grenztunnels Deve Bair noch gar nicht begonnen. «Das Problem mit der Eisenbahnstrecke von Kriva Palanka zur bulgarischen Grenze ist, dass sie in einem Tunnel nach Nirgendwo endet, denn wir können ihn nur auf unserer Seite bauen», erklärte er.
Seine bulgarische Amtskollegin Krasimira Stoyanova wies den Vorwurf der Untätigkeit zurück, so habe Bulgarien einen Teil seines Tunnels bereits 1948 gebaut. Noch bis zum Ende dieses Jahres werde ihre Regierung das technische Projekt für das bulgarische Teilstück fertigstellen, so dass er bis 2030 vollendet werden könne, versicherte sie.