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Von: Christian Doepgen


Artikel Nummer: 45544

ITZ 23-26/2023: Dienen wie Bienen: Honig – und Stachel


Lieber Leser, liebe Leserinnen

Wir denken gern in Bildern, die uns Sachverhalte veranschaulichen. Kürzlich hat auf der diesjährigen Generalversammlung von Spedlogswiss in Luzern Martin Bütikofer, der Direktor des renommierten Verkehrshauses, eine schöne Metapher verwendet. Er hielt ein Glas mit 250 g Honig in die Luft und fragte das Publikum nach dem geschätzten Aufwand der Bienen für das unverarbeitete Endprodukt.

Wir lagen alle falsch – und weit entfernt von den ca. 30 000 Ausflügen aus dem Bienenstock, den etwa 250 000 km geflogener Strecke und den mehreren Mio. bestäubter Blüten, die für ein solches Produkt vonnöten sind. Den Brückenschlag zur Leistung der vielfach unsichtbaren Logistiker, die bei Abschluss vieler Projekte trotz ihres Beitrags unsichtbar bleiben, liessen wir uns gern gefallen.

Nun sind die Abgesänge auf statt des Lobs für unsere Branche die Regel und nicht Ausnahme. Auch dem Bereich Transport und Logistik hat man wie so vielen anderen Industrien lange den schnellen Digitalisierungs-Tod durch ehrgeizige Start-ups und erfahrene IT-Unternehmen vorausgesagt. Derzeit setzt sich der Eindruck durch, dass auch nicht alles Gold ist, was neu glänzt.

Der Online-Frachtmarkt Freightos z.B. hat im Q1/2023 mit 229 000 die doppelte Anzahl an Transaktionen gegenüber dem Vorjahreszeitraum erzielt. Der im gleichen Zeitraum verzeichnete Verlust von 58 Mio. USD war (grösstenteils) der Kotierung an der US-Technologie-Börse Nasdaq geschuldet. Unter dem Strich soll im Geschäftsjahr 2023 ein Gewinn von ca. 5 Mio. USD herausschauen – kein Ausblick, der andere Marktteilnehmer in die Flucht schlagen müsste.

Die «Unsichtbarkeit» unserer Branche hat aber für mich ohnehin nur zu einem geringen Teil mit der Perspektive von aussen zu tun. Vielmehr bleibe ich dabei, dass wir uns allzu oft des Verhaltens befleissigen, das bereits als römischer Rechtsgrundsatz galt: «Wer schweigt, wo er (wider)sprechen sollte und konnte, dem wird Zustimmung unterstellt.» Insofern ist die vielgerühmte Bescheidenheit und Zurückhaltung des Logistikers zugleich auch der Grund dafür, dass die Branchen, die angeblich mehr Sexiness, Eleganz, Fortschrifttlichkeit oder – in moderner Währung – Nachhaltigkeit ausstrahlen, gesellschaftlich positiver wahrgenommen werden. Das kann uns gleich sein? Einspruch, Euer Ehren, schon mit Blick auf den Nachwuchs nicht.

Eine der vielen guten Nachrichten, die ich aus Luzern mitnehmen durfte, war die Information, dass aktuell bereits Schüler im Kindesalter auf dieses Berufsfeld hingewiesen werden. Das ist der richtige Ansatz.

Weiter so, rufe ich Ihnen mit dem Wunsch nach einer schönen Lektüre dieses ITJ zu!

Herzlich, Ihr
Christian Doepgen
Chefredaktor





 

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