Europa versorgen
Drei Flughäfen innerhalb von zwei Tagen nahm kürzlich eine Gruppe Schweizer Aviatikjournalisten unter die Lupe. Besonders im Blickfeld waren die unterschiedlichen Strategien, die Standorte innerhalb und am Rande der so genannten «Blauen Banane» verfolgen.
Eines haben die Flughäfen von Zürich (ZRH), Köln-Bonn (CGN) und Leipzig-Halle (LEJ) gemeinsam: Als 13., 9. und 6. (vgl. ITJ 09-10/2019, S. 13) gehören sie alle zu den grössten Umschlagplätzen für Luftfracht in ganz Europa. Doch wie kamen sie dahin, und welche Rolle spielt die Fracht für ihr Geschäft?
Zürich: «(K)ein Kerngeschäft»
Frachtchef Michael Sack, der seit 25 Jahren am Flughafen Zürich tätig ist, gibt sich keinen Illusionen hin. Als ein Drehkreuz der Lufthansa Gruppe bedient der grösste Flughafen der Schweiz in erster Linie Passagiere: Zu 99% reisen die Güter als Beiladung der Passagiermaschinen. 2018 waren es nach eigenen Angaben 493 000 t, wozu allerdings – eine Eigenart der Schweiz – auch RFS-Volumina (26%) mitgerechnet werden. So kommt es auch, dass Cargolux als einer der grössten Anbieter vor Ort gilt, obwohl sie keine Linienflüge, sondern nur Lkw nach Zürich bringt.
Aber ohne Fracht wären auch die meisten Flüge in Zürich nicht rentabel, denn die Beiladung bringt einen Anteil von 20% des Deckungsbeitrages eines Fluges. Dass die erwartete Frachtauslastung ein wesentliches Entscheidungskriterium für die Aufnahme einer neuen Destination ist, zeigt die Marktführerin Swiss, die nächstes Jahr Washington und Osaka in ihr Netz aufnimmt. Bei ihr beträgt die Auslastung im Branchenvergleich hohe 78%, womit das Frachtgeschäft der auf diesen Bereich spezialisierten Swiss World Cargo durchaus ein tragender Pfeiler ist. «Wir transportieren über 600 000 Sendungen pro Jahr, davon 95% über Zürich», bestätigte Christian Wyss, Head of Quality and Services – aber eben nur in Lkw oder auf Passagiermaschinen, wobei ihre grösste, die B777, mit einer Kapazität von 24,5 t fast schon als Vollfrachter durchgeht.
Reine Frachtflüge gab es 2018 nur 352. Dass es dieses Jahr durch den Umzug von Korean Air von Basel nach Zürich mehr werden, sei kein besonderer Verdienst des Flughafens, wie Sack auf Nachfrage des ITJ betonte, und man hege diesbezüglich auch keine weiteren Ambitionen.
Köln-Bonn: «Ein frachtgetriebener Flughafen»
Das klingt ganz anders auf dem Flughafen Köln-Bonn, der im Zentrum von Europas stärkster Aussenhandelsregion liegt: «Im Umkreis von 500 km werden 40% des BIP der EU erwirtschaftet», weiss Torsten Wefers, der seit 2003 bei dem Flughafen arbeitet und 2018 die Verantwortung für den Bereich übernommen hat. Der Standort befindet sich komplett in der öffentlichen Hand, steht aber in Konkurrenz zu nationalen Nachbarn wie Düsseldorf oder Frankfurt. So hat man sich bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren dem Frachtgeschäft zugewandt, das die hauptsächlich durch LCC repräsentierte Passage weit hinter sich lässt. Letztes Jahr war CGN mit 860 000 t Umschlag die Nr. 3 in Deutschland.
Während Bellyfracht lediglich 1% aufnimmt, zählte der Flughafen diesen Sommer ca. 600 wöchentliche Frachterflüge, davon 70% in Grossraumflugzeugen. Eine Steigerung auf 130 Bewegungen pro Tag war in der Hochsaison des letzten Winters zu verzeichnen – eine Konsequenz des Online-Handels. Tatsächlich setzt man am Rhein schon lange auf die Integratoren: UPS hat den grössten Marktanteil und betreibt hier seinen Europa-Hub, Fedex nahm 2010 seinen Betrieb auf, und auch DHL ist da, aber nicht so gross, wie es der Dienstleister sein könnte.
Leipzig-Halle: Erfolgsgeschichte der Deutschen Einheit
Als dessen Forderung nach mehr Platz und einer weiteren interkontinentalen Start- und Landebahn auf CGN 2008 nicht erfüllt werden konnte, wanderte er in den Osten und errichtete auf Leipzig-Halle seinen weltweit grössten Hub. Daneben gibt es auf LEJ aber noch viele weitere Vollfrachtlinien, die sein Jahresvolumen auf 1,22 Mio. t schrauben. Dagegen ist die Passage einen auf eher dünn besiedelten Radius von 250 km begrenzt.
«Obwohl wir der am schnellsten wachsende Flughafen Europas sind, können wir immer noch wachsen», blickt Kommunikationschef Uwe Schuhart, der 1995 als Werkstudent hier gelandet ist, zuversichtlich in die Zukunft.