Wer braucht die Landbrücke?
Ein Bahn- und Strassenprojekt in Südthailand. In einem, wie ITJ-Korrespondent Michael Mackey findet, «mutigen» Schritt zurück in die Zukunft arbeitet die thailändische Regierung hart daran, ein wieder auf die Agenda gesetztes Landbrückenprojekt durch den südlichen Teil des Landes zu etablieren. Vorgeschlagen werden neue Strassen- und Schienenverbindungen zwischen den Häfen Chumphon und Ranong.
So alt die Idee einer Verbindung zwischen dem Golf von Thailand und der Andamanensee ist, ein wesentlicher Unterschied zur neuen besteht darin, dass sie von Thailands Ministerpräsident Srettha Thavisin, der bis Ende April auch Finanzminister war, unterstützt und gefördert wird. Dies wird auch nötig sein, da die Kosten des Projekts auf 29 Mrd. USD geschätzt werden und die lokalen Reaktionen auf die Idee von «gleichgültig» bis «feindselig» reichen.
Nicht weniger riesig als die politische und wirtschaftliche Aufgabe ist das Bauprogramm selbst. Es besteht aus drei Teilen: Tiefseehäfen in Chumphon und Ranong, Autobahnen und Schnellstrassen für die gesamten 90 km durch Südthailand mit Nebenstrassen in bestimmten Gebieten links und rechts davon sowie eine Eisenbahn-Doppeltrasse daneben. Insgesamt vier Tunnel werden gebohrt, jeweils zwei für den Bahn- und für den Strassenverkehr.
Bauingenieur und Finanzpolitiker
Tatsächlich wird die Landbrücke als Basis eines geplanten «Südlichen Wirtschaftskorridors» ein wichtiger Teil von Thailands Ambitionen als Hub sein. Der Plan sieht vor, bereits 2025 mit dem Bau zu beginnen und 2030 den Betrieb aufzunehmen – ein enger Zeitrahmen für ein riesiges Projekt.
Doch die Logik dahinter ist klar und dringlich. «Wer sich ausschliesslich auf die Strasse von Malakka verlässt, um zwischen dem Indischen und dem Pazifischen Ozean zu verkehren, geht heute ein enormes Risiko ein», sagte der studierte Bauingenieur Thavisin Anfang des Jahres.
In der Tat läuft ein Viertel des Welthandels durch die Strasse von Malakka, und über 70% des aus Nahost exportierten Rohöls trägt dazu bei, dass sie der am stärksten belastete Schifffahrtsengpass der Welt ist. «Sie wird jedes Jahr von ca. 90 000 Schiffen passiert, und ihre Zahl nimmt um mehr als 2% p.a. zu, so dass sie bis 2030 voraussichtlich ihre Kapazität überschreitet.»
Dann sei mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen zu rechnen, warnte der Ministerpräsident auf einer Veranstaltung in San Francisco, wo er für die Idee der Landbrücke warb.
Interessant waren die Tiefe und der Detailreichtum seiner Argumentation. Die Strasse von Malakka sei lang und eng, betonte er. Besonders der Philips-Kanal bei Singapur sei nur 2,8 km breit, was bedeute, dass die Schiffe Schlange stehen müssten und nur langsam voran kämen.
Jedes Jahr ereigneten sich über 60 Schiffsunfälle mit einer Vielzahl von Schiffen, von lokalen Booten bis hin zu grossen Öltankern, und jedes Schiff sei anfällig für Piraterie und ungünstige Wetterbedingungen.
«Aus diesen Gründen», führte der Regierungschef aus, «ist zu erwarten, dass der Transport von Gütern durch die Strasse von Malakka in Zukunft mit mehr Problemen konfrontiert sein wird, darunter mehr Reisezeit und -kosten. Dies liegt daran, dass Schiffen bei tagelanger Wartezeit erhebliche Nebenkosten entstehen – und weil Waren während der Verzögerung verderben.»
Regionaler Nutzen und Widerstand
Beim Vergleich von Transportkosten und -zeit zwischen der Strasse von Malakka und der neuen Landbrücke wurden als potenzielle Zielgruppe Zubringerschiffe identifiziert. «Von Linienschiffen aus China und Europa herangebrachte Ladungen, die mit Feedern in der Region verteilt werden, wären 4% günstiger und fünf Tage schneller», rechnete Thavisin vor.
Das gesamte Frachtvolumen im westlichen Hafen (Ranong) wird auf 19,4 Mio. TEU pro Jahr geschätzt, während es im östlichen (Chumphon) 13,8 Mio. TEU betragen wird. Das wären etwa 23% der durch die Strasse von Malakka transportierten Gütermenge.
Frühere Planungen sahen für jeden Hafen 20 Mio. TEU vor – entweder Weitsicht für viel mehr Spielraum oder Verkennung der Realitäten. Thavisin ist jedenfalls überzeugt davon, dass das Projekt «Thailand als Drehscheibe für Transport und Handel festigen» und als wichtiger Verbindungspunkt zwischen Ost und West auch eine «erhebliche strategische Bedeutung» haben wird.
Dem stehen einige Bedenken gegenüber. Zum hohen Preis gehört Chinas Einfluss. So hat die Neue Seidenstrasse dem benachbarten Laos zwar eine Hochgeschwindigkeitsbahnverbindung beschert, das arme Land aber noch tiefer verschuldet. In Thailand ist man viel vorsichtiger, in eine ähnliche Abhängigkeit zu geraten.
Dafür zeugt Bangkoks Skyline von einer langen Geschichte von gescheiterten Infrastrukturprojekten. In der nationalen Logistikbranche wird hinter vorgehaltener Hand die Sorge geäussert, dass es sich bei der Landbrücke um ein angebotsorientiertes Projekt handelt, das möglicherweise nicht in eine Welt passt, die sich schnell verändert.