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  • RZD-CEO Oleg Belozerov (l.) zeigte Innovation und Tradition.

27.09.2019 Von: Marco Wölfli


Artikel Nummer: 28979

Bekannte Partner und neue Pläne

Wenn sich ausländische Investoren und die russische Eisenbahnindustrie treffen, geht es um Technologien und Geschäfte. Für die russische Staatsbahn RZD steht dabei auch globale Wachstumsstrategie im Zentrum. Die Pläne beschränken sich längst nicht mehr nur auf Eurasien, sondern reichen bis nach Afrika.


 

Gut 30 km südlich von Moskaus Stadtzentrum liegt Schtscherbinka. Der Vorort ist Heimat des Forschungsinstitut der russischen Eisenbahn und verfügt über eine kreisrunde 6 km lange Teststrecke, die als die älteste ihrer Art gilt. Wo normalerweise Forscher an der Eisenbahn-Technologien der Zukunft tüfteln, herrschte im russischen Spätsommer viel Betrieb. Die russische Eisenbahn RZD führte die
«Pro//Motion.Expo» durch, ein Mix aus Leistungsschau, Messe und Konferenz mit Teilnehmern aus 37 Ländern.

 


Volumen wächst auch ohne Breitspur

Mit Österreich stand eines dieser Länder besonders im Fokus. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und RZD pflegen schon seit längerer Zeit eine Zusammenarbeit, die am «Austrian Technology Day» besonders hervorgehoben wurde. «Wir erwarten eine Verdoppelung des Gütervolumens von Russland nach Österreich bis im Jahr 2030. Die Breitspur bis Wien ist bei diesen Prognosen weiterhin ein zentrales Thema», sagte Österreichs Verkehrsminister Andreas Reichhardt. Alleine im ersten Halbjahr 2019 wuchs der Güterverkehr zwischen den beiden Ländern um 8,8%. Künftig wollen die beiden Bahnen auch den Datenaustausch vorantreiben und Terminal-Anlagen in Kaliningrad gemeinsam nutzen. Bezüglich dem Breitspur-Ausbau bis nach Wien laufen derzeit ökologische Abklärungen, zudem wird das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie abgewartet. Die Partnerschaft mit Österreich ist für RZD ein Teil der expansiven International-Strategie, die 21% zum Umsatz beiträgt.

 


RZD in der Karibik

Mittlerweile ist die Güterbahn mit einer Verkehrsleistung von rund 2,6 Mrd. tkm in 40 Ländern präsent und es sollen noch mehr werden. Dies betonte Alexander Misharin an einem Mediengespräch mit Fachjournalisten. Der stellvertretende Manging Director von RZD ist innerhalb des Unternehmens mit seinen 1 Mio. Angestellten für internationale Kooperationen verantwortlich.

 

Wenn sich die russische Eisenbahn im Ausland engagiert, stehen oft Regionen im Fokus, die für den Schienengüterverkehr gros­ses wirtschaftliches Potenzial aufweisen. Manchmal geht es aber auch darum, etwas eingerostete Beziehungen wieder zum Leben zu erwecken. So im Fall von Kuba. Auf der Karibik-Insel beteiligt sich RZD an der Modernisierung der Schienen-Infrastruktur. Das Projekt wurde bereits vor zwei Jahren angestossen, kam aber bisher nicht richtig ins Fliegen. Das soll sich jetzt ändern, wie Misharin erklärte: «Russische Unternehmen haben bereits Lokomotiven für Güterzüge geliefert. Jetzt muss das Netz auf 500 km erneuert werden. Wo man heute noch mit 30 km/h unterwegs ist, sollen es in Zukunft 120 km/h sein.»

 

 

Potenzial in Afrika

Neuland ist dagegen Afrika für RZD. Einzig mit Südafrika gibt es bisher einen Technologie-Austausch. «In Afrika gibt es knapp 70 000 km Schienen, davon ist die Hälfte in schlechtem Zustand. Wenn die Regierungen gewillt sind, in die Modernisierung zu investieren, ist das Potenzial gross», sagte Misharin. Sein Vorgesetzter, RZD-CEO Oleg Belozerov, traf sich während der Pro//Motion.Expo mit seinem ägyptischen Amtskollegen Ashraf Raslan. Dabei bekräftigte Belozerov die Absicht, an der Erneuerung der ägyptischen Schieneninfrastruktur mitzuwirken. Das nordafrikanische Land ist zudem an Rollmaterial von russischen Herstellern interessiert. Eine Lokomotiv-Bestellung gibt es ebenfalls aus dem Iran. Aufgrund der Wirtschaftssanktionen hat sich diese bisher verzögert. Misharin zeigte sich aber optimistisch: «Wir sind zuversichtlich, dass wir die Bestellung von 45 Loks erfüllen können. Risiken gibt es bei jedem Geschäft.»

 

 

Automatik und Antrieb

Abgesehen davon befasst sich die russische Eisenbahn lieber mit Chancen als Risiken. So prognostizierte Belozerov, dass die künstliche Intelligenz die Eisenbahn fundamental verändern werde. Als Beispiel gilt der erste fahrerlose Zug Russlands, der auf der Teststrecke unterwegs war. Bis zu einem regulären Einsatz seien aber noch weitere Tests nötig, hiess es seitens RZD.

 

Auch der Antrieb von Güterzügen auf nicht elektrifizierten Strecken war auf den Podien ein wiederkehrendes Thema. Während die ausländischen Gäste Wasserstoff-Technologien propagierten, betonten die russischen Industrievertreter, dass man zuerst auf Erdgas setzen möge, das ja schliesslich in Russland in grossen Mengen vorhanden ist. Ob sich der Eisenbahnsektor dann tatsächlich so fundamental ändert, bleibt auch nach dem Stelldichein in Moskau offen. Sabrina Soussan, CEO, Siemens Mobility, zeigte sich zurückhaltend: «Züge fahren auch noch in 100 Jahren mit Rädern auf Schienen.»