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Von: Frank Stier


Artikel Nummer: 49072

Willkommen im Schengenraum?

Bulgariens und Rumäniens Fuhrunternehmen beklagen Wettbewerbsnachteile durch Blockade. 13 Jahre nachdem die EU-Kommission Bulgarien und Rumänien die Erfüllung aller Kriterien für den Beitritt zum Schengener Abkommen bescheinigt hat, erhalten die beiden Balkanstaaten am 31. März endlich Zugang zum Schengen-Raum zu Wasser und in der Luft. Der Landweg bleibt ihnen aufgrund von Österreichs Veto weiterhin verwehrt. Das sorgt für Ärger, weiss ITJ-Korrespondent Frank Stier.


Österreich macht Vorbehalte v.a. gegen Bulgariens Schutz der EU-Aussengrenzen vor illegaler Immigration geltend. «Unsere Position bleibt klar und unverändert», twitterte Bundeskanzler Karl Nehammer am 9. März nach seinem Besuch bei Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis: «Derzeit funktioniert das System Schengen nicht, folglich kann es auch nicht erweitert werden.»

Obwohl sie künftig bei Flügen innerhalb der EU von Passkontrollen befreit sind, fühlen sich viele Bulgaren und Rumänen durch fortdauernde Zollkontrollen bei Auto- und Zugreisen benachteiligt und als EU-Bürger Zweiter Klasse behandelt.

Branchenvertreter der Güterverkehrswirtschaft beider Länder beklagen beträchtliche Wettbewerbsnachteile ihrer Mitgliedsunternehmen im Binnenmarkt für Transportdienste auf Strasse und der Schiene.

Nach Angaben der Union der Strassentransporteure Rumäniens (UNTRR) betragen die Wartezeiten für rumänische Lkw an der Grenze zu Ungarn im Normalfall 8 bis 16 Stunden, an Feiertagen drei Tage, mit Ausreissern bis zu fünf Tagen. Für die Einreise nach Bulgarien seien Wartezeiten von 20 bis 30 Stunden normal, im Sommer drei Tage.

Die durch die Schengen-Blockade im Zeitraum von 2012 bis 2023 aufgelaufenen volkswirtschaftlichen Schäden taxiert die UNTRR auf 19,1 Mrd. EUR. «Allein 2023 sind dadurch Verluste in Höhe von 2,55 Mrd. EUR entstanden», klagte Generalsekretär Radu Dinescu Anfang März auf einer Konferenz in Bukarest.

Zeit ist Geld – Verluste seit 2012

Für das nach Einwohnerzahl dreimal kleinere Bulgarien schätzt der Vorsitzende des Verbands Industriellen Kapitals in Bulgarien (AIKB) Vassil Velev den volkswirtschaftlichen Schaden durch den Ausschluss aus dem Schengenraum auf 0,5 Mrd. EUR pro Jahr.

Er sieht die Attraktivität des Balkanlandes für Auslandsinvestoren dadurch vermindert und die Waren in den Geschäften verteuert. Im Januar forderte er von der Regierung eine «harte Reaktion», etwa durch striktere Kontrollen des österreichischen Güterverkehrs beim Transit in die Türkei, und appellierte an die bulgarischen Verbraucher, «keine österreichischen Produkte zu kaufen und keine österreichischen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen».

Es gibt keine Hinweise darauf, dass dem Boykott-Aufruf Folge geleistet worden wäre. Dafür hat Philippe Kupfer, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Sofia, seit Jahresbeginn zahlreiche Klagen über Schikanen von Lkw mit Österreich-Bezug bei der Zollabfertigung an Bulgariens Grenzen erhalten. «Dies betrifft auch Fahrzeuge anderer Nationalität, etwa wenn sie österreichische Waren geladen haben oder mit Ziel in Österreich unterwegs sind», konstatiert er.

Druck auf Brüssel aus dem Balkan

Die EU-Kommission strebt den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens zu Lande noch in diesem Jahr an, kann Österreichs Veto aber nicht übergehen. Als mögliche Alternative haben drei EU-Abgeordnete aus Bulgarien, Rumänien und Griechenland deshalb Ende Januar eine bereits länger kursierende Idee erneut zur Diskussion gestellt. Als Alternative zum Schengen-Beitritt auf dem Landweg könnten ihre Heimatländer eine Art Mini- bzw. Balkan-Schengen schaffen, in dem bereits ab Sommer die gegenseitigen Grenzkontrollen entfallen.

Einer solchen Idee erteilte Adina Valean, EU-Kommissarin für Verkehr aus Rumänien, indes postwendend eine Absage. Zwar sei ihr bewusst, «was Verzögerungen an den Grenzen für die Transportunternehmen bedeuten», sie habe sich deshalb stets «für den freien Verkehr eingesetzt», allerdings gelte es «an die EU als Ganzes zu denken», mahnte sie.


 

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