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Von: Marco Wölfli


Artikel Nummer: 33480

Impfstoff im Anflug

Nach der Entwicklung eines Impfstoffs im Kampf gegen das Coronavirus wird dessen Distribution die nächste grosse Herausforderung. Eine strenge Temperaturkontrolle könnte eine rasche Verbreitung empfindlich bremsen.


 

Pharmaunternehmen rund um den Globus forschen derzeit an Covid-19-Impfstoffen. Wann und in welcher Wirksamkeit einer oder mehrere Impfstoffe verfügbar sein werden, ist momentan noch nicht bekannt. Klar ist hingegen, dass die weltweite Verteilung der Impfdosen ein logistischer Kraftakt wird.

 

Der deutsche Logistiker DHL und das amerikanische Beratungsunternehmen McKinsey haben sich in einer ausführlichen Studie mit der Distribution eines möglichen Impfstoffs und weiteren Themen aus den Bereichen Pharmatransport auseinandergesetzt.

 

Aufgrund der kurzen Entwicklungszeit der Impfstoffe, könnte es sein, dass Logistikdienstleister extreme Temperaturanforderungen von bis zu -80°C erfüllen müssen. So soll sichergestellt werden, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs durch Transport und Lagerung nicht beeinträchtigt wird. In einem konventionellen Szenario würden die Impfstoffe bei Temperaturbedingungen zwischen 2 und 8°C transportiert, wie es heute bei den meisten Pharma-Lieferketten üblich ist. Dies wird allerdings nur möglich sein, wenn genügend Erfahrungswert und Stabilitätsdaten vorhanden sind.

 

 

Herausforderung für die Luftfracht

Sobald ein tauglicher Impfstoff auf den Markt kommt, wird die Nachfrage global und gigantisch sein. Deshalb dürfte die Luftfracht, einmal mehr in der Covid-19-Pandemie, eine gewichtige Rolle spielen. Damit in den nächsten zwei Jahren eine weltweite Abdeckung gelingt, wären bis zu 15 000 Flüge und 200 000 Palettenlieferungen nötig. Obwohl dies beeindruckende Zahlen sind, wäre die Logistik in dieser Phase nach Einschätzungen der Studienautoren noch gut bewältigbar. Die Feinverteilung wäre dann deutlich aufwendiger, geht das Szenario doch von 15 Mio. Kühlboxen aus, die 10 Mrd. Impfdosen transportieren. Dabei wären grosse Mengen an Kühlelementen und Trockeneis nötig. Beim strengen Szenario könnte es zu Engpässen bei den geeigneten Behältnissen kommen, und das physische Handling der tiefgefrorenen Sendungen braucht spezielle Ausrüstung und Ausbildungen.

 

 

Drei Modelle möglich

Für die Distribution der Impfstoffe wurden in der Studie drei Lieferkettenmodelle untersucht. Das schnellste und direkteste Logistikmodell ist dabei die Direktlieferung. Die Impfstoffe werden auf Paletten oder in Boxen per Lkw oder Flugzeug direkt vom Ort der Abfüllung und Endbearbeitung zum Zielort befördert. Dieses Vorgehen kann für die anfängliche globale Verteilung sinnvoll sein, oder später in kleinen Regionen, oder wenn der Zielort nahe am Herstellungsort liegt.

 

Beim lokalen Cross-Docking werden die Paletten mit paketgrossen Kühlboxen ins Bestimmungsland geflogen und per Lkw zu verschiedenen Zielorten gebracht. Diese Distributionslösung minimiert Lieferkosten und eignet sich besonders für Zielorte in kleinen Regionen, die relativ weit vom Herstellungsort entfernt liegen.

 

Das dritte Modell unter dem Titel lokale Lagerhaltung sieht die Nutzung lokaler Lager- und Fulfillmentkapazitäten vor, um die Fracht von Paletten in paket­grosse Einheiten für die letzte Meile aufzuteilen. Dieses Vorgehen könnte sich in grossen Zielregionen bewähren und wäre eine langfristige Lösung, falls der Transport der Impfstoffe den konventionellen Temperaturanforderungen unterliegt.