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  • (Foto: Boeing)

Von: Andreas Haug


Artikel Nummer: 39745

Grenzenloses Vertrauen

Qatar Airways platziert grösste Frachter-Einzelbestellung jemals bei Boeing.



Am 31. Januar 2022, am Rande des Staatsbesuchs des katarischen Emirs im Weissen Haus, liessen Boeing und Qatar Airways die Katze aus dem Sack. 34 fix bestellte B777-8F zzgl. einer Option auf 16 weitere lassen die modernisierten Fertigungslinien in Everett nahe Seattle anlaufen. Der Erstkunde kann ab 2027 mit der Übernahme der ersten Einheiten des neuen Modells rechnen, verspricht Boeing.

Dass Akbar Al Baker, Qatar Airways Group Chief Executive, über ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein verfügt, ist kein Geheimnis. Die jetzt bei Boeing getätigte Grossbestellung zeigt aber auch das Vertrauen, dass die mittelöstliche Fluglinie in den US-amerikanischen Flugzeughersteller und in den Luftfrachtmarkt hat.

Lange war auf die Einführung des neuen Boeing-Frachters spekuliert worden, doch die Luftfahrtausstellung in Dubai im vergangenen November verging ohne offizielle Ankündigungen. Die Show stahl gar Airbus mit dem offiziellen Start seines A350F-Programms (vgl. ITJ Daily, 16/11/21). Mittlerweile hat der europäische Anbieter vier Bestellungen für 22 Einheiten eingesammelt: Auf den LoI mit der Air Lease Corporation über sieben A350F folgten zwei weitere mit Singapore Airlines über sieben (+ fünf in Option) und mit Air France-KLM über vier (+ vier) sowie ein MoU mit der CMA CGM Group über vier Einheiten. Offensichtlich will Airbus das lukrative Frachtgeschäft dem historischen Marktführer, der von sich behaupten darf, 90% der globalen Vollfrachterkapazitäten zu stellen, nicht mehr kampflos überlassen.

Zwei neue Modelle in drei Monaten

Doch mit der grössten jemals getätigten Einzelbestellung von Vollfrachtflugzeugen, deren Listenpreis bei über 20 Mrd. USD liegt, schlägt Boeing eindrucksvoll zurück. Auch das Leistungsversprechen, das der Flugzeughersteller nach Investitionen von mehr als 1 Mrd. USD in seine Fertigungslinien in Everett WA, abgibt, kann sich hören und sehen lassen: Die 70,9 m lange und 71,8 m (bzw. 64,8 m mit aufgeklappten Flügelspitzen) breite B777-8F (rechts) übertrifft die bisher verfügbare B777F (oben) schon äusserlich und kommt mit 118 t Frachtkapazität an die Eigenschaften der grösseren B747-400F heran. Da sie aber nur zwei Triebwerke benötigt, um über 8160 km weit zu fliegen, glänzen auch ihre inneren Werte mit einer um 25% höheren Treibstoffeffizienz und in gleichem Verhältnis verminderten Emissionen und Betriebskosten. Ist die Auslieferung der ersten Einheiten für 2027 geplant, geht hinter diesen riesigen Zahlen fast der Umstand unter, dass auch zwei «herkömmliche» und daher viel früher verfügbare B777F und 25 (+25) B737-10 (links) zur Bestellung gehören.

Entscheidung gegen Airbus

Auch wenn Qatar Airways eine frühere Order von 60 B777X in der Passagierversion im selben Zug um 20 Exemplare verringert, ist die Entscheidung der Fluglinie auch ein klares Votum gegen Airbus. Der Hintergrund: Als Erstkundin der A350 sah sich die Fluglinie letztes Jahr gezwungen, insgesamt 21 ihrer 34 A350-900 und 19 bisherigen (von 24 bestellten) A350-1000 wegen Sicherheitsbedenken aufgrund von Lackschäden zu grounden.

Nachdem Al Baker lange seine europäischen Partner zur Entwicklung einer A350-Frachtversion angeregt hatte, fühlte er sich zuletzt gar nicht mehr von ihnen verstanden und reichte sogar vor einem Gericht in London Klage wegen des erlittenen Kapazitätsausfalls ein. Der Streit eskalierte so stark, dass der Flugzeughersteller – ungewöhnlich in der Branche – am 20. Januar die vor zehn Jahren getätigte Bestellung von Qatar Airways über 50 A321 Neo storniert hat. Das will wiederum der Kunde anfechten. Die unmittelbare Bestellung von Kurzstreckenflugzeugen bei Boeing ist nur die erste Reaktion. Jetzt ist es an den US-Amerikanern, dieses Vertrauen nicht zu verspielen.


BOX

Herrschaft der Zahlen
Als erste Frachtfluglinie, die im November 2021 die Iata-Plattform «CO2nnect» erklommen hat, arbeitet Qatar Airways Cargo an einer komplett integrierten CO2-Ausgleichslösung für ihre Kunden. Ein erstes Etappenziel wurde mit dem Ende Januar eingeführten CO2-Emissionsrechner erreicht. Das Tool auf der Website ermittelt mit wenigen Klicks den kompletten CO2-Ausstoss einer Sendung zwischen zwei Punkten an einem bestimmten Tag und unter ausgewählten Flugoptionen.

 

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