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  • Balkendiagramm: Sea-Intelligence

Von: Christian Doepgen


Artikel Nummer: 48707

Der Preis verengter Arterien

Analysen und Zahlen zu den Auswirkungen wachsender Verkehrsengpässe auf den Weltmeeren. Das Jahr 2024 hat tatsächlich den erwarteten turbulenten Einstieg in der Hochseeschifffahrt gebracht. Die Vision von Lesseps erlebt den Stresstest, denn noch ist nicht absehbar, wann sich die Engpässe rund um Suez- und Panamakanal lockern. Die Folgen der notwendig gewordenen längeren Routen um Kontinente herum sind zwar bereits spürbar, werden sich nach Expertenmeinung aber verschärfen.


Die jüngste Studie zur Hochseeschiffahrt der Unctad in Genf bringt es an den Tag: Die Störung der Seehandelsrouten im Roten Meer durch den Suezkanal wirken sich auf die Handelsströme weltweit aus. Diese Entwicklung verstärkt die ohnehin angespannte Lage im Schwarzen Meer aufgrund des Krieges in der Ukraine und am Panamakanal aufgrund Trockenheit.

Nach Schätzungen der Unctad ist der Transitverkehr durch den Suezkanal im Vergleich zu seinem Höchststand um 42% eingebrochen, der wöchentliche Transit von Containerschiffen sogar um signifikante 67%. In Zentralamerika wiederum ist die Zahl der Passagen durch den Panamakanal gegenüber dem Höchststand um 49% geschrumpft. Klassische Seerouten verschieben sich, eingespielte Partnerschaften müssen neu definiert und neue Netzwerke geknüpft werden. Das kostet Zeit und vor allem Geld.

Die durchschnittlichen Spotraten für den Containerverkehr von Schanghai aus haben sich von Anfang Dezember 2023 bis Ende Februar um 122% mehr als verdoppelt und nach Europa sogar verdreifacht (+256%). Die Raten in Richtung der Westküste der USA sind ebenfalls überproportional gestiegen (+162%) –obwohl diese Schiffe paradoxerweise gar nicht über Suez fahren.

Die Auswirkungen sind markant. Mit der Umstellung der Routen weg von Kairo rund ums Kap hat Sea-Intelligence in Kopenhagen die voraussichtliche Nachfrage nach Container (TEU)-Meilen für das Gesamtjahr 2024 berechnet. Während die Zahl 2023 bei 860 Mrd. lag, würde die gleiche Menge an Fracht 2024 bei unveränderter Situation zu einer Nachfrage von 994 Mrd. TEU-Meilen führen. Dies entspricht einem Anstieg von 16%.

Flexibilität nach Fahrtgebiet gefordert

Die Fahrtgebiete sind naturgemäss sehr unterschiedlich betroffen. So stehen die Verbindungen von Europa übers Mittelmeer nach Indien und Fernost im Brennpunkt. Auch die Verkehre von Indien über Mittelost nach Nordamerika sind nach Sea-Intelligence beeinträchtigt, ebenso die Routen ostafrikanischer Staaten nach Europa. 34% des Handels des Sudans, 15% Tansanias und 10% Kenias sind betroffen, wie die Unctad ermittelte.

Zwar leiden die transpazifischen Verkehre deutlich weniger unter erhöhten Raten, aber die Probleme wählen die Hintertür. So hat die Plattform Container xChange ermittelt, dass Container-Leasingraten auf bestimmten Strecken von China in die USA im Vergleich zum November 2023 um das Dreifache gestiegen sind. Die Leasingraten lagen diesen Februar fast 300% höher als Februar 2023.

Noch nicht abschätzbar, aber erwartet, werden Auswirkungen auf die globalen Treibstoff-, Energie- und Verbrauchermärkte. Kopfzerbrechen machen v.a. die Preise für Gas und Nahrungsmittel. Für den ökologischen Effekt hingegen gibt es bereits Näherungen. Die Unctad schätzt am Beispiel der Strecke Singapur–Rotterdam, dass das Rerouting rund um Afrika aufgrund der längerer Distanzen zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen von bis zu 70% auf einer Hin- und Rückfahrt führen kann.


 

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