Stark und aufmerksam
Trotz leichter wirtschaftlicher Abkühlung präsentiert sich der Logistiksektor in Österreich und der Schweiz in guter Form. Neben vielversprechendem Vorwärtsdrang gibt es allerdings auch einige sorgenvolle Entwicklungen.
Spedlogswiss-Direktor Thomas Schwarzenbach liegt richtig, wenn er sagt, die Verfassung der Logistikbranche sei eng mit dem Aussenhandel gekoppelt. Auf exportorientierte Länder wie Österreich und die Schweiz trifft das besonders zu. Bei den Konjunkturprognosen bewegen sich die beiden Länder praktisch im Gleichschritt. Nach einem starken Jahr 2018, ist es mittlerweile zu einer leichten Abkühlung gekommen. Dennoch rechnen die Experten für 2019 mit einem BIP-Wachstum von 1,2% in der Schweiz und 1,7% in Österreich. Für die Logistikbranche erfordert diese Entwicklung vor allem Aufmerksamkeit, schliesslich kann aus einer Abkühlung rasch ein Abschwung werden.
Wenn man die Logistik-Situation der beiden Länder vergleicht, macht Österreich derzeit einen etwas dynamischeren Eindruck. Auf der Schiene hat sich die Rail Cargo Group in den letzten Jahren zu einem beeindruckenden Player entwickelt. Die Güterverkehrstochter der ÖBB setzte schon früh auf das Wachstumspotenzial der China-Verkehre und weibelt mit Nachdruck für einen Breitspur-Ausbau bis Wien. Wenn dieser realisiert wird, wäre die österreichische Hauptstadt Drehscheibe für den west-östlichen Schienengüterverkehr.
Auch die privaten Akteure präsentieren sich in guter Verfassung. Lkw Walter will seine bereits starke Position in den Kombiverkehren weiter ausbauen und lanciert regelmässig neue Verbindungen. Ebenfalls erfolgsversprechend ist die Strategie von Gebrüder Weiss. Das Voralberger Unternehmen weitet seine Präsenz in Südosteuropa kontinuierlich aus und besetzt Gebiete, in denen die Konkurrenz noch wenig vertreten ist.
SBB Cargo sucht sich selber
Auch die Schweizer Logistiklandschaft ist insgesamt gut aufgestellt. Die geografische Lage zwischen Süd und Nord, die gut ausgebaute Infrastruktur und die florierende Wirtschaft bilden einen ertragsreichen Nährboden. Nichtsdestotrotz lassen sich einige Baustellen ausmachen. Die letzten Monaten waren geprägt von der Übernahme von Panalpina durch DSV. Die verlorene Unabhängigkeit des Traditionsunternehmens dürfte den Logistikstandort Basel noch eine ganze Weile schmerzen.
Im Bahnland Schweiz ist SBB Cargo momentan stark mit sich selbst beschäftigt. Seit Anfang Jahr fungiert das Unternehmen als eigenständige Konzerngesellschaft und ist auf der Suche nach Minderheitsinvestoren. Eine Schwarze Null als Konzernergebnis wie im Vorjahr ist bei diesem Unterfangen das Minimum, allerdings nicht einfach, da Bundessubventionen wegfallen. Neben den Grossen ist die Schweizer Logistikbranche geprägt durch zahlreiche kleine und mittelgrosse Anbieter, die sich oft in einer Nische eine starke Position erarbeitet haben.
«Logistik-Uber» aus Zürich
In eine solche Nische möchte mittelfristig auch das 2017 gegründete Zürcher Start-up-Unternehmen Annanow vorstossen. Die Gründer haben eine Vermittlungsplattform für Expresskuriere gegründet, die sich an Velokuriere und Taxis richtet. Grundsätzlich kann aber jeder und jede zum Kurier werden. Das Geschäftsmodell ähnelt somit demjenigen von Uber, nur dass statt Fahrgäste Pakete transportiert werden. Gemäss Eigenangabe hat sich Annanow zum Ziel gesetzt, den «schnellsten und günstigsten Lieferdienst der Schweiz» aufzubauen.
Zumindest bei Investoren stösst das Konzept auf Anklang. Die MSS Holding, die im Versicherungs- und Automobilsegment aktiv ist, investierte kürzlich einen einstelligen Millionenbetrag in Annanow. Das Geld will das Start-up in den Ausbau des Angebots in der Schweiz stecken. Danach ist die Expansion nach Deutschland und Österreich geplant.
3 Fragen an Thomas Schwarzenbach
In welcher Verfassung befindet sich die Schweizer Logistikbranche zur Zeit?
Die internationale Logistik-Branche ist bezüglich ihres Geschäftsgangs eng an den Schweizer Aussenhandel gekoppelt. Dieser läuft derzeit gut: Trotz Unsicherheiten wie dem Handelskrieg USA-China oder dem Brexit rechnet die Exportbranche mit einer Steigerung der Volumen im laufenden Jahr; das BIP wird 2019 ebenfalls 2019 wachsen. In der Folge vermelden unsere Mitglieder eine gute Auftragslage und eine hohe Nachfrage nach Fachkräften.
Welche Herausforderungen stehen in den nächsten Jahren im Vordergrund?
Momentan beschäftigen wir uns mit den sich verändernden Betriebsprozessen unter Einbindung intelligenter Informationstechnologie. Auch unser Berufsbild verändert sich. Wir arbeiten deshalb an der Ausarbeitung neuer Berufsanforderungen, welche wir in der Verordnungsänderung 2022 einbringen werden.
2020 wird Spedlogswiss 100 Jahre alt. Was ist für das Jubiläum geplant?
Wir realisieren eine Jubiläumsschrift und einen Film. Darin werden wir auf die Entstehung unseres Verbandes zurückblicken und auf einem Zeitstrahl die entscheidenden Entwicklungen der letzten Jahrzehnte aufzeigen. Die Generalversammlung 2020 wird ein spezielles Rahmenprogramm beinhalten. Der Höhepunkt bildet ein grosser Gala-Abend im Herbst, an dem wir unsere 100 Jahre gebührend feiern werden. mw