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  • Massimo Roccasecca

Von: Andreas Haug


Artikel Nummer: 31022

Bereit anzupacken

Das sich in Norditalien ausbreitende Coronavirus machte es nicht einfacher, sich mit Massimo Roccasecca auszutauschen. Mit 30 695 t Frachtvolumen ist der Flughafen Brescia – mit Treviso, Venedig und Verona Teil des Flughafensystems der Save Group – um 29,1% gewachsen, wohingegen die landesweite Entwicklung rückläufig war (–3,2%). Auch in anderen Bereichen sieht der Manager Handlungsbedarf.


 

 

Herr Roccasecca, 2019, im ersten vollen Kalenderjahr in Ihrer Verantwortung, ragt Brescia gegenüber anderen Standorten in Italien und Europa heraus. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Offen gesagt, bin ich davon überzeugt, dass sich die tiefgreifende kaufmännische Planung 2018/2019 bezahlt gemacht hat. Das umfasst den segmentierten Ansatz, der die spezifischen Vorteile jedes unserer vier Flughäfen hervorhebt, und den Umstand, dass wir die Herausforderung angnommen haben, unsere Vision zu verändern und Bemühungen zu unternehmen, um eine für den E-Commerce günstige Umgebung zu schaffen.

 

Darüber hinaus haben wir uns mit unseren Kunden zu Zielen und Erwartungen ausgetauscht, und hier kann ich auf ein wundervolles Team zählen, das sich ganz Qualität und Leistung verschrieben hat. Dazu kam eine Prise Glück, das in unserer Zeit nötig ist, aber v.a. die Tatsache, dass das Management der Gruppe die langfristige Strategie abgesegnet hat.

 

 

Entwicklungspläne wurden bei den Behörden eingereicht. Wie ist der Stand?

Nun, die Abläufe sind vertraulich, aber wir wissen, dass der Prozess im gesteckten zeitlichen Rahmen voranschreitet. Dabei muss man zugestehen, dass dieselben staatlichen Stellen seit letztem Monat mit dringlicheren Dingen, nämlich dem Coronavirus, beschäftigt sind, die nicht spurlos am Lufttransport vorübergehen.

 

 

Welche Geschäftsfelder haben besser abgeschnitten als andere? Warum?

E-Commerce war zwar der Motor unserer Leistung, aber wir haben auch ein wachsendes Bedürfnis nach Spezialisierung und massgeschneiderten Lösungen erkannt, die auf den grösseren Flughäfen wegen Überlastung kaum zu erbringen sind. Als Flughafensystem mit adhoc-Lösungen für praktisch jedes Geschäftsszenario können wir hier mit einem wettbewerbsfähigen Vorteil aufwarten.

 

 

Wer sind denn die Konkurrenten dieses Systems in Italien und darüber hinaus?

Jeder Flughafen in Europa ist eigentlich ein potenzieller Wettbewerber. Dem stellen wir uns in der Überzeugung, dass es bestimmte Fähigkeiten und Merkmale gibt, die Fluglinien dazu bewegen, den idealen Flughafen auszuwählen. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist allerdings, dass nach denselben Regeln und Vorschriften gespielt wird. Und das sehe ich nicht überall.

 

 

Können Sie das bitte genauer erklären?

Mir ist ja auch bewusst, dass es aufgrund einer Vielzahl von Faktoren, die nicht in unserer Kontrolle sind, schwierig ist, mit den grössten italienischen oder europäischen Hubs zu konkurrieren. Aber wenn es um «normales» Geschäft geht, ziehen Betreiber viele Aspekte wie Zoll, Nachtruhe, Verfügbarkeit von Infrastrukturen etc. in ihre Überlegungen mit ein. Und dann frage ich mich, warum z.B. Zollregelungen – obwohl sie doch EU-weit auf dem Papier identisch sind – in Wirklichkeit «freier ausgelegt» werden. Wie kann es sein, dass andere Länder, während Italien buchstabengetreu bleibt, «liberaler» sind und sich so einen Wettbewerbsvorteil verschaffen? Aus Sicht einer Fluglinie mit niedriger Profitabilität mag dies heute ein entscheidender Punkt sein.

 

 

Alitalia ist schon lange krank, Air Italy eben gestorben: Was fällt Ihnen zur italienischen Luftfahrtbranche ein?

Als Bürger schäme ich mich, dass ein Land, das G8-Mitglied ist, möglicherweise ohne National Carrier dasteht. Was mich als Fachmann sehr enttäuscht, ist, dass wir erneut mit einer Situation konfrontiert sind, deren Hauptverantwortung woanders liegt... Historisch gesehen hatte Italien in der Luftfahrt immer äusserst fähige Köpfe. Wenn die meisten von ihnen heute ihr Glück bei ausländischen Fluglinien machen oder, noch schlimmer, an den Rand der Branche gedrängt werden und z.B. für Logistikunternehmen arbeiten, liegt das meiner Meinung nach daran, dass Italien diese Industrie nie so geschützt hat wie andere Länder.

 

 

Wie steht denn die globale Luftfracht da?

Wir befinden uns in einer Art «Rezessionsmodus», wobei die jüngsten Entwicklungen nicht hilfreich sind. Ich denke, 2020 wird eher ein Jahr der Konsolidierung als der Expansion. Es würde mich nicht wundern, wenn wir vor einer M&A-Saison stehen. Ich bin gespannt, was wir in Istanbul alles erfahren werden.

 

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