Die Bahn trumpft auf
Quasi ein wenig antizyklisch wurden im Schienengüterverkehr in den letzten Wochen einige bemerkenswerte Projekte operativ. Die «Reise» führt von Deutschland nach China und zurück nach Russland, Lettland und Finnland.
Die Luftfracht kämpft mit Kapazitäts-turbulenzen, in den Seehäfen stauen sich die Container und auf der Strasse erschweren Grenzkontrollen den Güterverkehr. Während viele Verkehrsträger mit ungewohnten Herausforderungen kämpfen, zeigt sich die Schiene robust. Wenig personalintensiv und auf grosse Gütermengen ausgelegt – die Vorteile des Schienenverkehrs liegen auf der Hand.
Für einmal von West nach Ost
Operateure und Logistikunternehmen, die im Bahnsektor tätig sind, machten daher in den letzten Wochen vermehrt auf neue Verbindungen und erweiterte Services aufmerksam. Im Fokus stehen natürlich Züge, die zwischen Europa und China verkehren, dessen Wirtschaft wieder an Fahrt gewonnen hat.
Bestes Beispiel ist der Ganzzug, der unter der Ägide von Dachser von Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) in die zentralchinesische Stadt Xi’an fuhr. Die Fracht bestand aus Chemie-Produkten von Basf, die in 42 Containern verstaut waren. Der Transport dauerte 14 Tage und führte vom Kombiterminal Ludwigshafen über Polen, Weissrussland, Russland und Kasachstan nach China. Dachser war für die Koordination mit dem Zugbetreiber RTSB und für die Verzollung und Distribution verantwortlich. Die Schienenverbindung nach Europa ist für Unternehmen aus der chemischen Industrie besonders interessant, da diese oft im chinesischen Hinterland fernab der Seehäfen beheimatet sind.
Günstigere Kohletransporte
In Xi’an dient der Schienengüterverkehr auch dazu, die Wirtschaft anzukurbeln. Die Xi’an Railway Group hat im April die Tarife für Gütertransporte aus Teilen der Provinz Shaanxi gesenkt, die über grosse Kohleabbaugebiete verfügt. Die Reduktionen betragen bis zu 26% und sollen die einheimische Industrietätigkeit fördern.
Der Grossteil des interkontinentalen Schienengüterverkehrs verläuft immer noch von Ost nach West. Dabei geht der Trend klar zu längeren Zügen. Ein besonders langes Exemplar erreichte Mitte April die russische Exklave Kaliningrad an der Ostsee. Wie die lettische Bahn LDz mitteilt, besteht der Zug aus 100 20 Fuss-Containern, was zu einer Gesamtlänge von 1 km führt. Der bisher längste Zug, der Lettland durchquerte, bestand aus 75 Wagen. Für die Organisation des Transports durch Lettland spannte die LDz und ihre Tochtergesellschaften mit der russischen Eisenbahn und dem Unternehmen Transcontainer zusammen. Die lettische Bahn hat sich in der Vergangenheit Expertise im Umgang mit besonders langen und schweren Zügen erarbeitet und will dieses Segment weiter ausbauen.
Finnland rüstet sich für lange Züge
Lange Züge aus Russland will künftig auch Finnland abfertigen. Ende März führte das finnische Bahnlogistikunternehmen VR Transpoint einen Zug vom Grenzbahnhof Vainikkala zum Hafen Hamina. Dank zwei neuen elektrischen Vectron-Lokomotiven musste der 6000 t schwere Zug mit 830 m Länge erstmals nicht geteilt werden. Zudem wurden die Geleise am Bahnhof Vainikkala auf 1000 m verlängert. Dadurch entfallen zeitraubende Rangierarbeiten. VR Transpoint erhofft sich von den Massnahmen mehr Kapazität und bessere Transportprozesse sowohl auf finnischer, wie auf russischer Seite.