Die Seidenstrasse auspflastern
Vor zehn Jahren hat sich Bulgarien Chinas Belt and Road-Initiative angeschlossen. Doch anders als etwa in Serbien und Montenegro hat sich dies in dem Balkanland nicht in konkreten Verkehrsinfrastrukturprojekten manifestiert. Woran das liegt und wie findige Spediteure eigene Wege beschreiten, wollte ITJ-Korrespondent Frank Stier wissen, der sich in Sofia umgehört hat.
Nein, an ambitionierten Plänen fehlte es nicht; im Jahr 2016 sollte die chinesische HNA Group die 35-Jahres-Konzession für den Flughafen von Bulgarien zweitgrösster Stadt Plovdiv übernehmen. HNA versprach, Plovdiv zu einem Logistikhub speziell für den Güterverkehr zwischen Europa und dem Fernen Osten zu machen. Daraus wurde nichts, da HNA in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet.
Die bulgarisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen haben sich seitdem dennoch dynamisch entwickelt; von 2015 bis 2023 verdoppelte sich das bilaterale Handelsvolumen fast auf 4,2 Mrd USD. Die bulgarischen Ausfuhren tragen dazu zu einem knappen Viertel bei.
Auf der positiven wirtschaftlichen Basis wollen Bulgarien und China nun ihre Verkehrsverbindungen stärken. Chinesische Finanzinstitutionen seien im Rahmen der Neuen Seidenstrassen-Initiative bereit, zur Entwicklung der bulgarischen Seeschifffahrt beizutragen, versprach Chinas Botschafterin in Bulgarien Dai Qingli im September auf einem chinesisch-bulgarischen Wirtschaftsforum.
Neuer Vorstoss für Luftfracht
Und nach erfolgtem Abschluss eines bilateralen Luftfrachtabkommens hält Botschafterin Qingli nun auch «die Voraussetzungen für eine direkte Frachtfluglinie zwischen beiden Ländern für gegeben». Bulgariens Transportministerium hat in einem Ausschreibungsverfahren bereits die bulgarische Fluggesellschaft Compass Cargo Airlines dazu bestimmt, künftig wöchentlich bis zu sieben Flüge zu den chinesischen Metropolen Schanghai, Zhengzhou und Shenzhen durchzuführen.
Ein Transportunternehmen, das besonders von der positiven Entwicklung des bulgarisch-chinesischen Aussenhandels profitiert hat, ist die auf Verkehre in den Nahen und Fernen Osten spezialisierte Spedition World Transport Overseas (WTO) mit Sitz am Sofioter Flughafen.
Dem bulgarischen Wirtschaftsmagazin «Kapital» zufolge konnte sie in den Pandemiejahren 2020 bis 2022 ihren Umsatz auf umgerechnet rund 105 Mio. EUR mehr als vervierfachen und sich auf Rang 8 der Top 10 der bulgarischen Transport- und Logistikunternehmen etablieren.
Alte See- und neue Landwege
Im Zuge seiner expansiven Geschäftsentwicklung hat WTO sein Filialnetz auf inzwischen 26 Niederlassungen in zwölf Ländern ausgeweitet. Auf der Balkanhalbinsel ist WTO u.a. in Belgrad, Zagreb und Koper vertreten, in China u.a. in Schanghai und Shenzen.
Zuletzt lancierte die Spedition drei neue Transportverbindungen in den Fernen Osten, die ihr zufolge «beträchtliche Vorteile in Bezug auf Geschwindigkeit, Sicherheit und Kosteneffizienz im Import- und Exporttransport» bringen.
Bisher führte WTO über die Schwarzmeerhäfen Varna und Burgas sowie Konstanza und Thessaloniki FCL-Transporte nach Dubai in Nah- und Hongkong in Fernost durch. Seit Juli 2024 bietet es nun einen wöchentlichen Express-Konsolidierungsdienst vom slowenischen Adriahafen Koper durch den Suez-Kanal nach Hongkong an.
Er soll sich auch für Länder Mittel- und Osteuropas eignen. Mit einer Transitzeit von Hafen zu Hafen von 31 Tagen hält WTO dies für «die schnellste Seefrachtoption von Europa in den Fernen Osten im Vergleich zu allen anderen Seehäfen, einschliesslich Rotterdam und Hamburg».
Seit Juni führt WTO mit eigenen Fahrzeugen LTL-Express-Verkehre zwischen seinem Sofioter Lager und seinem Logistikterminal in Schanghai durch mit einer Fahrzeit von 19 Tagen. WTO zufolge liegen die Kosten des Dienstes bei etwa einem Drittel der Luftfracht, so dass er für Unternehmen interessant sei, «die eine Balance zwischen Geschwindigkeit und Kosten suchen und mit der traditionellen Seefracht verbundenen Verzögerungen vermeiden wollen».
Bereits seit Mai bietet WTO als «weitere Alternative zum Seetransport» einen LCL-Dienst von Xi’an per Bahn nach Belgrad an. Dafür hängt sich WTO an die von der Hamburger Metrans im März lancierte Zugverbindung zwischen der Provinz Hebei über die Nordoute durch Russland und Mitteleuropa nach Serbien an. Dort übernehmen WTO-Lkw.
Der Mittlere Korridor, der China über Zentralasien direkt mit Sofia verbinden könnte, scheint noch nicht marktreif. Dies mag u.a. auch daran liegen, dass Bulgarien die Modernisierung seiner Schienenstrecken vom Schwarzen Meer und der türkischen Grenze nach Sofia noch immer nicht vollendet hat.