Am Rande des Risikos
Der Luftraum des Nahen Ostens ist nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober aufgeladen, in dessen Folge der Flugverkehr rund um Israel eingeschränkt wurde. Schon zuvor mehrten sich die Fälle von fehlgeleiteten Flugzeugen nahe des Irans.
Kurz nach dem Start in Teheran wurde Flug 752 der Ukraine International Airlines am 8. Januar 2020 von zwei iranischen Flugabwehrraketen abgeschossen. Dass alle 176 Menschen an Bord der B737-800 sterben mussten, führte der Iran später offiziell auf eine Fehleinschätzung des eigenen Militärs zurück. Seit Mitte September gibt es nun mehrere Fälle, in denen sich Zivilflugzeuge aufgrund falscher GPS-Daten in eine ähnliche Gefahr begeben, weil sie sich unbeabsichtigt dem iranischen Luftraum annähern. Hauptschauplatz ist der im irakischen Luftraum parallel zur iranischen Grenze verlaufende Airway UM688.
Laut der Webeite des auf Flugbetriebsinformationen für Piloten spezialisierten Vereins Ops Group handelt es sich bei der GPS-Störung um «Spoofing», bei dem der Bordelektronik falsche Daten vorgegaukelt werden, bis sämtliche Bordsysteme ihre korrekten Referenzwerte verlieren und schliesslich ausfallen. Neu an dieser Art der Störung ist, dass die Flugzeuge – betroffen waren Verkehrsflugzeuge verschiedener Grösse und Typen wie Boeing 747, 777, 737 und Embraer 190 sowie eine Reihe von Business Jets – auch einen Ausfall des eigentlich nicht manipulierbaren internen Navigationssystems (IRS) erleiden und nur dank der Flugsicherung von aussen ihrer Route folgen konnten. Besonders irritiert klang eine betroffene B777-Crew mit ihrer an die Flugaufsicht in Bagdad gerichteten Doppelfrage: «Wieviel Uhr ist es, und wo sind wir?»
Warnung der US-Luftsicherheitsbehörde
Der Ops Group zufolge lasse sich die Störung lediglich bei sehr frühem Erkennen des «Spoofings» durch sofortiges Trennen des GPS-Empfängersignals vom IRS bekämpfen. Nur dann behalte es seine unverfälschten Daten. Die Dimension der drohenden Folgestörungen und der Vernetzung des IRS sei den meisten Crews nicht bewusst gewesen, so die Ops Group, die den Piloten rät, mit ihren jeweiligen Flugzeugherstellern die Systemauslegung, drohende Gefahren und Gegenmassnahmen zu erörtern. Sämtliche Betreiber sollten ihre Besatzungen über die neue Gefahrenlage informieren, fordert die Vereinigung aus New York.
In einem Memo wies auch die US-Luftsicherheitsbehörde FAA auf das Flugsicherheitsrisiko für den Zivilluftfahrtbetrieb in den Fluginformationsregionen (FIR) von Bagdad und Baku hin. Sie empfiehlt den zivilen US-Luftfahrtbetreibern, die diese FIR durchqueren, die regionale Datenlage genau zu beobachten und auf einen zwischenzeitlichen Betrieb ohne GPS-Navigation vorbereitet zu sein.