Auf neuem Gleis
Weltweit ist der Schienengüterverkehr gegenüber der Strasse in der Defensive. Im Iran wollen die staatlichen Eisenbahnen (RAI) in einer Offensive die Infrastruktur, rollendes Material und internationale Strecken modernisieren bzw. vorantreiben. In Teheran gab Saeid Rasouli, seit März neuer RAI-Präsident, dem ITJ Einblicke in die Strategie.
Der staatliche Transportbereich im Iran hält sich an den Modalsplit, denn jeder CEO eines einzelnen Verkehrsträgers trägt als Regierungsverantwortlicher den Titel eines Vize-Ministers für Transport. Im Fall der iranischen Eisenbahnen (RAI) – Railways of the Islamic Republic of Iran handelt es sich bei deren Präsidenten um Saeid Rasouli, der just im März 2019 auf diesen Posten berufen wurde. Allerdings kennt er sowohl das Unternehmen wie das Metier erheblich länger. Seit Januar 2017 im Vorstand der RAI, war er u.a. als deren Vizepräsident für Planung und Verkehrswirtschaft an der RAI tätig. Er empfing die Vertreter des ITJ in dem architektonisch an die Grande Arche de la Défense in Paris erinnernden Hauptgebäude der Gesellschaft in Teheran.
Vorfahrt für die Schiene
Bezüglich der Jubiläen haben die RAI vor dem ITJ die Nase vorn: seit 81 Jahren sind die Eisenbahnen im Iran, obwohl auf der lokalen Ebene bereits länger operativ, als nationale Gesellschaft organisiert. Das ITJ vollendet erst im Juli 2019 sein 80- jähriges Jubiläum.
Das Thema Eisenbahn wird aber auf politischer und wirtschaftlicher Ebene im Iran nicht historisch, sondern mit hoher Aktualität gesehen. Mit seinem so genannten sechsten Entwicklungsplan, der 2016 begann, hat der Iran der Entwicklung des Schienennetzwerks einschliesslich des Gütertransports erste Priorität gegeben. Das hiess u.a. ganz konkret, dass seitdem 1% der staatlichen Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft in die Entwicklung des Schienennetzes und die Ausstattung der Bahn flossen.
«Inzwischen wurden eine Reihe von Gesetzesänderungen durch Regierung und Parlament beschlossen», erläuterte Rasouli, «Dadurch haben sich die Rahmenbedingungen für nationale und internationale Investoren beträchtlich verbessert.» Er zielt damit auf das so genannte «Unterstützungspaket» ab, das dem Privatsektor sein finanzielles Engagement in die Schiene u.a. mit einem garantierten Wechselkurs von staatlicher Seite entlohnt. Angesichts der Volatilität der Landeswährung stellt diese Absicherung ein deutliches Bekenntnis dar. Zusätzlich gibt es – je nach Höhe der Investitionen – gestaffelte Preisnachlässe, die dem Investor zugute kommen.
Ehrgeizige Ziele
Da der Schienengüterverkehr ökologisch effizienter als der Strassentransport ist, will man auch in Teheran den «modal shift» vorantreiben. Die Latte wurde dabei hoch gelegt, denn bis 2021 sollen 30% des Güterverkehrs im Lande – Im- und Exporte sowie Transit – auf Gleisen laufen. Raouli räumt ein, dass der bisherige Anteil der Schiene bei etwa 13,5% des Modalsplits liegt.
«Die entsprechende Dynamik für den Wandel wollen wir mit einem umfassenden Programm sicherstellen», so der Präsident der RAI. «Dazu gehören neben dem Ausbau der Infrastruktur, so der Bahnhöfe, der Signalstationen und der Terminals, auch Schulung und Entwicklung des Personals.» Bei der weitergehenden Elektrifizierung des Netzwerks im Iran, die bisher nur für Teile besteht, will man dabei auf die künftigen Hochgeschwindigkeits- strecken setzen. Hier ist man mit vielen Partnern im Bott, nicht nur mit der russischen RZD.
Neue Lokomotiven und neue Strecken
Raouli räumt ein, dass die im Iran eingesetzte Flotte an Lokomotiven und Waggons teilweise nicht mehr den aktuellen Ansprüchen in Transport und Logistik genügt. «Wir planen eine entsprechende Erneuerung des rollenden Materials», unterstreicht der RAI-Präsident. Für eben dieses Vorhaben ist kürzlich ein Budget in Höhe von 150 Mio. EUR ausgelobt worden, das teils aus öffentlichen Mitteln, teils aus Bankdarlehen zusammengestellt wird. Auch hier wird die Kooperation mit internationalen Partnern gross geschrieben.
Die traditionelle Zusammenarbeit der iranischen Technologie-Gruppe Mapna und Siemens soll in der weiteren Auslieferung von Lokomotiven des Typs Mapna Siemens Euro Runner 24 ihren Niederschlag finden. Von dieser Lokomotive, die auch für Fracht geeignet ist, werden weitere 40 Stück produziert und im Mapna-Werk in Karadsch zusammengesetzt. Zusätzlich werden 800 neue Waggons angeschafft. Bis zum Jahr 2020 sollen es 1600 sein.
Auf dem Monitor in seinem Büro kann der Präsident den Fortschritt der Ausbau-Aktivitäten an mehr als 250 Orten im Iran, u.a. in Aprin, Bandar Abbas oder Tabriz, mit eigenen Augen verfolgen. Besonderen Wert wird auf den Ausbau der internationalen Verbindungen gelegt: Eine 32 km lange Strecke mit Brücke über den Fluss Arwand soll von Shalamcheh im Iran bis zum irakischen Hafen Basra führen. Das Projekt wurde erst vor wenigen Wochen politisch vereinbart.
«Die Strecke ins afghanische Herat wird bald operativ sein», freut sich Raouli über diese nächste Erweiterung der transnationalen Verbindungen. Einen weiteren Schwerpunkt, um genau diesen Link nach Afghanistan zu stärken, bildet der Ausbau der Hinterlandstrecken des Hafens Chabahar bis ins iranische Zahedan. Die iranischen Eisenbahnen folgen also den Chancen, die der Handelsaustausch mit den östlichen asiatischen Nachbarn eröffnet. Am politischen Willen – das wurde in Teheran deutlich – mangelt es nicht.