Seefahrt tut not
Die deutsche maritime Wirtschaft beklagt in diesen Tagen einen sich verschärfenden internationalen Wettbewerb – sicherlich zu Recht. Tatsächlich haben Rotterdam und Antwerpen die deutschen Häfen Hamburg und Bremen im Wachstum hinter sich gelassen. In globaler Perspektive aber suchen Reeder und Hafenbetreiber angesichts die Konkurrenz aus Fernost den gesamteuropäischen Schulterschluss.
Die schlechte Nachricht zuerst: Die deutschen Seehäfen haben 2018 weniger Güter umgeschlagen als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt anlässlich des Weltschifffahrtstags am 26. September mitteilte, wurden im vergangenen Jahr gesamthaft 296,5 Mio. t Güter umgeschlagen, d.h. 0,7% weniger als 2017. Der wahre Benchmark ist aber auch hier die globale Finanzkrise. In den goldenen Zeiten davor, d.h. z.B. 2008, hatten die Ladungsströme in den deutschen Seehäfen noch gut 318 Mio. t ausgemacht.
Die Seefracht bleibt der Schrittmacher der deutschen Logistikwirtschaft. Der hohen Wertschöpfung, die die Luftfracht erzielt, stehen die grossen Volumina der Schifffahrt gegenüber, die im Jahr 2018 rund 58 Mal so gross ausfielen wie die Luftfrachtmenge an den Flughäfen.
Auch der Schiffbau unter Druck
Aus dem Blickfeld gerät bisweilen, dass Deutschland weiterhin auch ein bedeutender Standort des Schiffkonstrukteure ist. Auch wenn die grössten Werften in Südkorea und China stehen, entfallen immer noch rund 80% der Wertschöpfung beim Bau eines Schiffes auf die Zulieferungen. Nach Analysen des Verbands für Schiffsbau und Meerestechnik (VSM) gelten Bayern und Baden-Württemberg, aber auch Nordrhein-Westfalen als bedeutende Standorte für die Schiffbau-Zulieferindustrie mit Unternehmen wie dem Hersteller der weltgrössten Schiffsmotoren MAN, Siemens, MTU, ZF und zahlreichen weiteren Anbietern von Navigations- und Antriebstechnik: «Allein die Zulieferindustrie beschäftigt bei einem Umsatz von mehr als 10 Mrd. EUR mehr als 63 000 Mitarbeiter.»
Auf Seiten der Branche wird u.a. das chinesische Engagement in dem Bereich kritisch gesehen. «Seit Jahrzehnten erleben wir Marktverzerrungen ohne Gegenmittel», sagt Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VSM. «Das muss aufhören.»
Deutsche und europäische Staatshilfen erwünscht
Konsequenzen hat der Strukturwandel in der Schifffahrt für Deutschland allemal gebracht. Die deutsche Handelsflotte ist von einstmals 3500 auf knapp 2300 Schiffe geschrumpft, die Zahl der Reedereien von mehr als 400 auf 330. Gern bemüht man in Wettbewerbsfragen – ganz sicher keine deutsche Eigenart – den Staat.
Der Präsident des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe, Frank Dreeke, appellierte kürzlich an die Politik. Dass Deutschland Export- und Logistikweltmeister, reiche nicht, sagte er: «Um ihre Stärken noch besser ausspielen zu können, muss die deutsche Hafenwirtschaft von Wettbewerbsnachteilen befreit werden.» Als praktisches Beispiel nannte er das deutsche Verfahren zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer.
Die deutschen Reeder schlagen in die gleiche Kerbe – und heben die europäische Dimension der Schifffahrt samt ihrer staatlichen Förderung gleich mit ins Boot. Den Anlass dazu bot der kürzlich veröffentlichte Bericht des Internationalen Transport Forums (ITF) der OECD, der die Vergabe staatlicher Fördermittel bzw. die Steuerbefreiuung öffentlicher Träger von Seehäfen in einzelnen Mitgliedsstaaten moniert hatte. Verbände der privaten Seewirtschaft Europas, so u.a. Feport in Brüssel, haben deswegen zu einer Überarbeitung der bisherigen «European State Aid Guidelines» (SAG) aufgerufen, da sie private Terminals und Häfen im Hintertreffen sehen. Der Feport-Präsident, Gunther Bonz, sieht deswegen den Zeitpunkt für gekommen, die Schifffahrtsindustrie gleich anderen Branchen wie den Banken einem europäischen «Fitness Check» zu unterziehen.
Das sehen u.a. die die European Community Shipowners’ Association (Ecsa) und der Verband Deutscher Reeder (VDR) anders. Nach der Ecsa bilden die SAG «ein zutiefst effektives Instrument, um den europäischen Schifffahrtssektor in einem hochkompetitiven Umfeld zu erhalten und zu stärken.» Zudem wird der Ansatz der Studie des ITF kritisiert, die keine globalen Vergleichsmassstäbe herangezogen habe. Auf diesen Aspekt hoben auch die deutschen Reeder ab: «Schifffahrt ist keine rein europäische Veranstaltung, wie der Bericht suggeriert, im Gegenteil: Wir in Europa und insbesondere in Deutschland stehen in einem harten globalen Wettbewerb – mit Mitbewerben, die ihrerseits Unterstützung erfahren.»
Um also mit gleich langen Spiessen zu kämpfen, sieht der VDR öffentliche Wettbewerbshilfen als unabdingbar an. Hier sieht man sich im Schulterschluss mit der EU-Kommission, die ebenfalls der Meinung ist, dass «sie fortgesetzt werden sollten.»