Auf halbem Weg und weiter
Frohe Botschaften aus Baku. Der Caspian Air Cargo Summit, den Michael Mackey Ende letzten Jahres für das ITJ besuchte, sandte zwei Signale an die Industrie: Einerseits versucht sich Aserbaidschan als Drehscheibe für die Luftfrachtbranche zwischen Ost und West zu etablieren, die andererseits trotz wirtschaftlicher und geopolitischer Probleme vor dem Anbruch besserer Zeiten zu stehen scheint.
«Vorsichtig optimistisch» war der Ausblick von Tom Crabtree, Geschäftsführer des spezialisierten Beratungsunternehmens Trade and Transport Group.
Er wägt den E-Commerce-Boom, der nicht nur seiner Meinung nach «viel mehr Potenzial für künftige Entwicklung» hat, mit wirtschaftlichen Problemen ab, insbesondere der Inflation, die, wie er betonte, zu einem um ein Viertel gestiegenen Treibstoffpreis gesorgt hat und in Schwellenländern am Kostenrahmen kratzt. Und unsere angespannte und bewaffnete Welt bereitet Crabtree wie wahrscheinlich fast allen Menschen Sorgen.
Ein Teil seiner allgemeinen Zuversicht beruht auf den jüngsten Statistiken, die zeigen, dass sich sämtliche der wichtigsten Märkte besser entwickeln – entweder weniger negativ oder sogar positiv. Besonders hervorzuheben ist die Route Ostasien–Europa, auf der seit August jeden Monat 8% mehr Güter bewegt werden als im Vorjahresvergleich.
Auch die starke US-Wirtschaft trägt dazu bei, merkte Tiaca-Generaldirektor Glyn Hughes an, sowie das anhaltende Interesse an alten und neuen Frachtflugzeugen, da sich neue Akteure dem E-Commerce-Boom anschliessen. Diesen Boom befeuern offensichtlich die Schliessung des russischen und ukrainischen Luftraums sowie die Beschränkung chinesischer Flüge in die USA: Sie sorgten auch dafür, so Crabtree, dass nicht nur Kapazitäten absorbiert würden, sondern hielten die Yields auf hohem Niveau.
Kwong: «Wende geschafft»
Das sieht die Industrie ähnlich. Dem ITJ gegenüber beschrieb Wilson Kwong, Chief Executive des Terminalbetreibers Hactl, das letzte Jahr als «herausfordernd», meinte aber auch: «Ich glaube, wir haben jetzt die Wende geschafft. Und obwohl die aktuellen Ereignisse im Nahen Osten Anlass zur Sorge geben, rechne ich für 2024 mit einer Rückkehr zu einem konstanten, wenn auch gedämpften Wachstum.»
Besonders umtriebig geht es in Zentralasien zu. Die Region entwickelt sich zu einem indirekten Zugangstor für Waren nach Russland, wobei Accenture-Geschäftsführer Marco Bloemen v.a. Kasachstan und Usbekistan nennt. Aber auch Aserbaidschans Silk Way West Airlines verfolgt ehrgeizige Ziele und präsentiert ein «Cargo Village» mit eigenem Flughafen in der freien Wirtschaftszone Alat.
Keine 65 km südlich der Hauptstadt Baku veranschaulicht die von der Silk Way Group betriebene Anlage, wie sich die Welt verändert – und damit die Luftfracht. Geplant sind Standplätze für 18 Grossraumflugzeuge und eine 4 km lange Start- und Landebahn, über die jährlich 500 000 t Fracht bewegt werden sollen, so CEO Jawad Dbila. Die erste Phase ab 2024 wird einen 20 000 m2 grossen Frachtterminal mit einem Zolllager sowie Anlagen für verderbliche Güter und ein Gewerbegebiet umfassen.
Ambitionen in Aserbaidschan
Das «Cargo Village» liegt in der Nähe eines Seehafens und ist an das internationale Strassen- und Schienennetz angeschlossen. Noch wichtiger: Es wird als «Smart City» angelegt, das einer einzigen Regulierungsbehörde unterliegt und dessen Geschäftszentrum und Zollbereich zur Erleichterung des Handels beitragen.
Dies alles wird für Silk Way West Airlines von grossem Nutzen sein, bestätigte Präsident und CEO Wolfgang Meier. Die in Baku ansässige Frachtfluggesellschaft will mit einer wachsenden Flotte fabrikneuer Flugzeuge, zu der 2025 drei B777, bis 2027 zwei A350F und bis 2029 zwei B777-8F hinzukommen, von der geografischen Lage auf halbem Weg zwischen Europa und Asien profitieren. Aber nicht nur: Kürzlich hat sie einen wöchentlichen Dienst nach Brasilien aufgenommen, der über Quito zurückfliegt. Das unterstreicht: Die Luftfracht erweitert ihren Horizont.