
«Mehr Europa» gefragt
Bettina Castillo über den «Fleckerlteppich» Schienenverkehr. Das Vorstandsmitglied der österreichischen Rail Cargo Group kritisiert fehlende Koordination und Infrastrukturmängel im internationalen Schienenverkehr. Ihr Ziel: Züge sollen genauso unbeschwert durch Europa reisen wie Lkw.
Wie steht es um die Bahn im Logistiksektor? Auf der Website des Schweizer Bahnkongresses «Bahn25» beantwortet Bettina Castillo, Vorstandsmitglied der Rail Cargo Group, Fragen zu Hindernissen und Lösungen auf der Schiene.
Wo sehen Sie Handlungsbedarf, damit die Züge hindernisfrei über Grenzen hinweg unterwegs sind?
Dieser «Fleckerlteppich» ist historisch gewachsen und zeigt sich besonders im grenzüberschreitenden Bahnverkehr.
Folgen sind unkoordinierte Baustellen, infrastrukturelle Engpässe an Grenzübergängen sowie Einschränkungen z.B. bei Geschwindigkeit, Gewicht und Zuglänge – ganz zu schweigen von Sprachbarrieren und unterschiedlichen Arbeitszeitgesetzen. Besonders problematisch ist zudem der oft schlechte Zustand der Infrastruktur.
Ein Beispiel ist derzeit Deutschland, wo aktuell langwierige Bauarbeiten zu erheblichen Umwegen und Mehrkosten führen. Diese Mehrkosten werden von den Kunden am Markt nicht bezahlt. Ein weiteres Hindernis findet sich beim Zugsicherungssystem ETCS, welches von Infrastrukturbetreibern zu unterschiedlicher Zeit in Betrieb genommen wird.
Die RCG möchte ihren Schienentransport-Anteil erhöhen. Welches Ziel haben Sie und welche Strategie hilft dabei?
Drei Faktoren sind entscheidend, damit der Modalanteil steigt: Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen ihre Hausaufgaben machen, um schneller, moderner und kundenzentrierter zu werden. Das tun wir beispielsweise, indem wir unser Produktionsnetzwerk resilient gestalten oder in die Digitalisierung investieren.
Neben fairen Wettbewerbsbedingungen und einer Kostenwahrheit zwischen Schiene und Strasse benötigt es darüber hinaus eine europaweit koordinierte, leistungsfähige Infrastruktur. Einen Zug durch Europa zu fahren, muss so einfach sein wie einen Lkw. Dafür brauchen wir «mehr Europa» und weniger nationale Regelungen.
Frauen in der Leitung von Logistikfirmen sind nicht üblich. Ein Problem?
Ein hoher Grad an Diversität in Führungspositionen eröffnet neue Perspektiven und bereichert die Unternehmenskultur – sie wird dynamischer, kreativer und innovationsfreudiger. Das ist nicht nur ein gesellschaftlicher Auftrag, sondern auch bewiesenermassen ein Wettbewerbsvorteil für die gesamte Branche.