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  • Foto: Dr Acél & Partner

Von: Christian Doepgen


Artikel Nummer: 45672

Optimierung unter Strom

Leuchtturm-Projekte der Logistik aus drei unterschiedlichen Branchen. Es war heuer das 38. Zürcher Logistik-Kolloquium, das an der ETH stattfand. Erneut wurden unterschiedlichste Fallbeispiele aus der logistischen Praxis von Experten vorgestellt, wobei Gretchenfragen der Optimierung im Zentrum standen. Der Organisator Dr. Acél wiederholte sein Credo: «Methodenkompetenz und Querdenkergeist mögen zeitraubend sein – sie sind jedoch nachhaltig.»


Einmal mehr war das Zürcher Logistik-Kolloquium im Dozentenfoyer der ETH Zürich mit rund 70 Gästen aus Industrie und Wirtschaft Anfang Mai gut besucht.

Als erste Case Study wurde die 2020 erfolgte Relocation des Hauptsitzes der Elektro-Material AG Zürich (EM), eines 110 Jahre alten Grosshandels-Unternehmen der Elektro-Branche, in ein modernisiertes Logistikzentrum vorgestellt. EM verfügt über kein Zentrallager, sondern über neun Niederlassungen, um grösstmögliche Kundennähe sicher-zustellen. Das Logistikzentrum des Zürcher Umzugs-Projektes hat EM mit

Dr. Acél & Partner entwickelt

In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte Dr. Jean Philippe Burkhalter, Leiter Operations (COO) und Mitglied der Geschäftsleitung von EM, einen abgewandelten Leitsatz des Designs: «Shape follows function.» Statt der Form folgte die Gebäudeplanung des neuen Objektes den unternehmenerischen Prozessen, so dass nun 90% der Logistik-Aktivitäten im Erdgeschoss Platz finden. Ein hoher Grad der Automatisierung steigert zusätzlich die Effizienz der Logistik. Das von 2017 bis Ende 2020 laufende Projekt, das neben dem zentralen Kleinteilelager 170 Mitarbeiter über 4 km in das neue Gebäude dislozierte, führte zu einem fristgerechten Start der Aktivitäten am neuen Ort zu Jahresbeginn 2021.

Auch der Strom hat seine Logistik

Die Gretchenfrage ob die Stromversorgung eine logistische Aufgabe sei, stellte Dr. Maurus Bachmann, Geschäftsführer Verein Smart Grid Schweiz (VSGS) und Swisseldex, seinem Vortrag voran. Obwohl die Stromversorgung selten als solche so wahrgenommen wird, gehört sie zur High-End-Logistik. Was das Schweizer Stromnetz aktuell an logistischer Leistung vollbringt, kann für viele andere Unternehmungen als vorbildlich gelten. Heute liegt seine Verfügbarkeit bei über 99,99%.

Die Herausforderung bei der Stromversorgung besteht u.a. in der bekannten Problematik, Strom zu «lagern». Mit Blick auf die erneuerbaren Energien steigt der Bedarf, z.B. saisonal aus Sonne oder Wind gewonnenen Strom zu speichern. Hier

erwächst aus der Fülle der Brückentechnologien ein politisches Regulierungs-Problem. Dieses Zögern und auch mangelnde technische Zuständigkeiten erschweren den Aufbau neuer Infrastrukturen. Allein bei der Integration der Photovoltaik sind viele Fragen offen.

Die Stromproduktion muss permanent örtlich sowie zeitlich auf den Verbrauch abgestimmt werden. Dies ist eine komplexe Aufgabe: Welche Rahmen-bedingungen gelten bei der Produktion, wie verändert sich der Verbrauch, was leisten die Stromnetze, welche lokalen Nutzungsmodelle bestehen und wie ist mit der Herausforderung der Saisonverläufe umzugehen? Diese Fragen müssen gelöst werden, denn die Stromversorgung benötigt eine genau abgestimmte Logistik, um in Echtzeit die richtige Menge und Spannung bereitzustellen. Nach Dr. Bachmann können nur unter klaren Voraussetzungen das Verteilnetz der Zukunft aufgebaut und die Stromversorgung von Produktion bis Verbrauch neu zugeschnitten und geregelt werden.

Transeuropäisch und schwäbisch

Als dritter Redner präsentierte Wolf-Dieter Tigges, Leiter Technik S-Bahn Frankfurt-Friedberg / Gateway-Gardens, DB Netz AG, ein Grossprojekt der Entsorgungslogistik im Umfeld von Stuttgart 21. Dieser Knotenpunkt des Eisenbahn-Projekts «Stuttgart-Ulm» zielt auf den Ausbau des trans-europäischen Verkehrsnetzes auf der zentralen West-Ost-Achse auch zur Optimierung des Güterverkehrs.

Ein scheinbares Detail des Riesenprojekts, dem Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof, bildete die Entsorgung des anfallenden Aushub- und Ausbruchs. Mitten in der Stadt bestanden hohe Auflagen gegen die Auswirkungen von Lärm, Erschütterungen, Staub, Schmutz und künstlicher Beleuchtung.

Tigges schilderte u.a. den Aufbau eines neuen Baustrassensystems, dass den öffentlichen Strassenverkehr nicht beeinträchtigte. Die Entsorgung läuft zu 98% über Schiene und Strasse und die transportierten Volumina können dank eines elektronischen Abfallnachweisverfahrens genau kontrolliert werden. Die Emissionen wurden durch neue Technologien minimiert. Kein Neuland ohne Innovation – im Lauf des Projekts wurde ein neuer, intermodal einsetz-barer Transportbehälter gemeinsam mit Schmitz Cargobull entwickelt, so Tigges.

Das Kolloquium, das nach Prof. Wegener seit 40 Jahren «einen festen Platz an der ETH» einnimmt, klang im lebhaften Austausch vor der Kulisse des sonnenüberstrahlten Zürich aus.


 

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