Trailern einen Korb geben
Die meisten genialen Einfälle sind eigentlich einfach. So hat die VTG AG gemeinsam mit dem Logistikanbieter Vega International eine Lösung entwickelt, die nicht-kranbare Sattelauflieger kranbar macht (vgl. ITJ Daily, 10/02/21). Warum es leichter ist als häufig angenommen, Trailer auf die Schiene zu verlagern und so den Modal Shift weiter zu stärken, berichtet Marc Hunziker von VTG Rail Europe.
Herr Hunziker, was verbirgt sich hinter dem «roadrailLink» (r2L)?
Zu unseren grossen Zielen zählt es, den Kombinierten Verkehr weiter voranzutreiben und weitere Impulse für die Verkehrsverlagerung zu setzen. In Europa werden Gütertransporte hauptsächlich mit Trailern verschiedener Bauarten durchgeführt, die aber nur zu einem sehr geringen Teil – etwa 5% – KV-fähig sind. Gemeinsam mit dem Logistikanbieter Vega International haben wir daher eine Lösung entwickelt, um den mehrheitlichen Anteil an nicht-kranbaren Trailern «bahnfähig» zu machen und so auf die Schiene zu verlagern. Mit unserer Lösung sind schon heute bis zu 200 t CO2-Einsparungen pro r2L-Korb möglich.
Hinter der r2L-Technik steckt ein vollverzinkter Verladekorb, der mit Terminalkränen oder Reachstackern vertikal in bzw. aus einem Doppeltaschenwagen gehoben werden kann. Der Korb kann unkompliziert und ohne zusätzliche Hilfsmittel im Terminal auf dem Boden positioniert werden und der Sattelauflieger hineinfahren. Dieser wird gesichert und dann per Kran in den Doppeltaschenwagen gehoben.
Was sind die speziellen Vorteile dieser neuen Technik?
Diese Transport- und Verladetechnik hat gleich mehrere Vorteile. Der erste ist sicherlich, dass der Einsatz des r2L-Korbs keine zusätzlichen Einrichtungen, wie Rampen, oder Veränderungen am Trailer benötigt. Die Handhabung ist damit sehr leicht, zudem werden keine Kapazitäten in den Terminals behindert. Ein weiteres wirtschaftliches Plus ist die schnelle Verladungszeit, da pro Trailer-Hub nur fünf bis acht Minuten veranschlagt werden müssen. Dank der Laser-Distanzmesstechnik kann der Fahrer der Terminal-Zugmaschine die genaue Position des Trailers am r2L-Korb durch ein Lasermessgerät aus der Fahrerkabine heraus ablesen, sodass eine präzise und sichere Verladung des Trailers am Waggon in kürzester Zeit möglich ist.
Mit der r2L-Technik haben wir einen vertikalen Ansatz verfolgt und wollen in bestehenden Systemen einen Mehrwert schaffen. In der EU sind circa 85% aller Terminals mit Portalkränen und Reachstackern ausgestattet, und wir zielen auf eine bessere Auslastung der bestehenden Terminallandschaften ab. Daher stehen wir auch nicht in Konkurrenz zu bestehenden horizontalen Umschlagsystemen oder anderen Intermodalangeboten, sondern wollen die Verlagerung von Strassentransporten auf die Schiene vorantreiben.
Vor welche Herausforderungen stellt der TWIN-Doppeltaschenwagen das System?
Grundsätzlich keine. Die ersten r2L-Körbe sind für das Modell T3000 konzipiert, die aber aufgrund des unterschiedlichen Innenlebens der Taschensysteme nicht kompatibel mit dem TWIN sind. Wir haben daher mit Vega zwei Prototypen für den TWIN-Wagen entwickelt, die aktuell getestet werden.
Wie viele dieser Verladekörbe sind bereits bei VTG in Betrieb, und wo?
Die Körbe werden im Paket mit unseren Wagen angeboten, so erhält der Kunde alles aus einer Hand. Die ersten 50 Körbe sind bereits auf existierenden Zugsystemen im Einsatz. Darüber hinaus befinden sich weitere 100 in der Auslieferung und werden Schritt für Schritt an weitere VTG-Kunden vermietet.
Das Einsatzgebiet ist breit aufgestellt. Die r2L-Technik ist etwa schon zwischen Rzepin und Tilburg (GVT) sowie auf verschiedenen Zugsystemen zwischen Italien und Deutschland im Einsatz. Darüber hinaus bieten wir die Lösung in Triest, Bettembourg, Rostock und Kiel an. In Kürze wollen wir auch Relationen zwischen Deutschland und Polen aufnehmen.
Wie wird r2L ausgerollt?
Wir denken nicht in Standorten, sondern wollen ein flächendeckendes Intermodal-Angebot forcieren. Unser Ziel ist es, möglichst viele existierende Kontinentalzüge mit der r2L-Technik zu ergänzen. Parallel dazu entwickeln wir europaweit Zugrelationen in Zusammenarbeit mit künftigen Kunden, Grossspediteuren und Operateuren, um weitere Impulse für die Verkehrsverlagerung zu setzen.