«Stellenwert steigt»
Die Baulogistik gewinnt in der Schweiz an Profil. Bauvorhaben sind langwierige Projekte mit oft komplexen überlappenden logistischen Abläufen. Wie mehr Potenzial gehoben werden könnte, erläuterte der Berater Dr. Peter Acél in Zürich Christian Doepgen.
Welche grundsätzlichen Probleme erkennen Sie in der Baulogistik heute?
Das Grundproblem beim Bau in der Schweiz besteht darin, dass allein Planungs- und Genehmigungsverfahren ca. 40% der Kosten verursachen. Da in den Städten u.a. kein Platz für den Umschlag ist, steigt der Stellenwert der Logistik im Rahmen des Organisationsmanagements.
Welche Lösung für die Logistik sehen Sie z.B. bei Platzmangel von Baustellen in der Stadt?
Ein dreistufiges Modell hat sich bewährt, das einen externen Warteraum und ein Shuttle-System von Lkw mit einem zentralen Abladeplatz verbindet. Sind die Verkehre gut getaktet, kann mit 10- bis 20- Minuten-Fenstern für An- und Ablieferung auf der Baustelle gearbeitet werden.
Welche Beispiele haben Sie vor Augen?
Die Palette reicht vom Potsdamer Platz in Berlin oder dem Bahnhofbau Stuttgart 21 bis zum Hauptbahnhof Zürich mit Bahnhofsanbindung für Aushub, Kies etc..
Welche anderen Optionen sind bei der heutigen Platznot denkbar?
Im Zuge der allgegenwärtigen Energiesanierung werden z.B. an vielen Gebäuden Fenster renoviert. Klassische Kranauf- und -abbauten in Innenstädten wie Zürich werden immer schwieriger.
Wir wissen, dass es oft schneller und kostengünstiger ist, die Fenster per Helikopter einzufliegen und einzusetzen. Geringerer Zeitaufwand, weniger Lärm und keine Verkehrsstaus sind die Folge. Man muss die richtigen – und mutige – Ideen haben.
Ist das in Zeiten klimagerechten Bauens denn möglich?
Natürlich, wenn das Konzept stimmt. Wir haben u.a. festgestellt, dass Papiersäcke einen 10- bis 20-fachen höheren Verschleiss als Plastik-säcke haben können. Wir haben letztere in Kreislaufwirtschaft wiederverwertet.
Warum werden solche Ideen so selten umgesetzt?
Weil der Logistikgedanke bei vielen Planungen als zentrales Mittel verkannt wird, um die Produktivität erhöhen zu können. Schwerfällige politische Vorgaben (es darf z.B. auf 12 km Autobahn nicht mehr als einer Baustelle geben – so entstehen kilometerlange statt etliche kleine) – und unendliche Qualitätsansprüche kommen hinzu. Und schliesslich müssen wir die Digitalisierung «auf Backstein-Niveau» endlich überwinden.
Was verstehen Sie darunter?
Den Einsatz digitaler Planungs- und Führungsinstrumente bei Grossprojekten, die alle 2 bis 5 Minuten automatisch einen Überblick der Systeme geben und deren Steuerung ermöglichen, so realisiert in Abu Dhabi.
Wie lautet das richtige Rezept?
Die Materialflüsse bei Bauvorhaben müssen sauber geplant sein, einschliesslich der Entsorgung. Ein Gesamtkonzept für alle Gewerke mit Abläufen und Prozessen tut Not – der Grund: geteilte Verantwortung.
Auch über Standardisierung und Fertigbauweise lassen sich Kosten sparen – mehr als über einen Generalunternehmer, der nicht immer die beste Wahl sein muss. Eine Bauleitung für Rohbau, Ausbau etc. hilft, die Fragmentierung der Planung zu verhindern. Richtig angesetzt ist die Logistik ein Erfolgsfaktor für Bauprojekte.