«In guten Märkten auch gut sein»
Grossbritannien, wo Rico Back nach langer Aufbauarbeit bei GLS von 2016 bis 2020 für die Royal Mail und ihre Töchter verantwortlich war, macht es vor. Trotz dortiger Schwächephase sieht der glühender Verfechter des KEP-Geschäfts gute aktuelle Chancen und künftige Aussichten. Back erläuterte Christian Doepgen die heilige Dreifaltigkeit für Erfolg in der Branche: Preis, Sicherheit und Qualität.
In vielen Logistikbereichen wird vom «Wendejahr 2023» gesprochen. Trifft das auch für die KEP-Branche zu?
In der Historie kannten die Paketdienste bis 2020 nur Wachstum von 3% bis 5% pro Jahr. Auf den Boom während Corona-Zeiten folgt nun ein deutlicher Einbruch aufgrund geopolitischer Risiken, der Explosion der Energiekosten und Konsumzurückhaltung. Ja, es ist ein Wendejahr, denn der Kampf um die Menge ist zurück, während Preiserhöhungen wie 2022 nicht mehr möglich sind.
Läuft auch deswegen eine Konsolidierungswelle an?
In Zeiten des Hochzins ist Geld selbst für Private Equity nicht so leicht aufzutreiben. Es sind also weit weniger Megadeals zu erwarten, aber strategische Zukäufe innerhalb der Branche bei vernünftig bewertbaren Betrieben denkbar. Die Rendite wird massgeblich sein, die Verhandlungen dauern. Die Kaufpreise liegen wieder auf Normalniveau.
Wie stellt sich der Markt konkret dar?
Grossbritannien mag als Beispiel dienen. Erstmals seit 2013 ist das Wachstum auf 1% gesunken, Online-Käufe sind um 7% zurückgegangen. Amazon schreibt die schlechtesten Zahlen seiner Geschichte in UK (+5,2%). Die Royal Mail hat 19% Umsatz verloren, vor allem aber 5% Marktanteil wegen mangelnder Qualität eingebüsst. UK Mail, d.h. DHL Parcel UK, verzeichnet dagegen 17% Wachstum. Mengen wandern heutzutage schnell ab, wenn Qualität und Zuverlässigkeit nicht stimmen. Der Anspruch an Optimierung und Transparenz ist hoch, um erfolgreich zu sein. Man muss eben in guten Märkten auch gut sein. Prognosen sind schwierig, aber langfristig bin ich von einer nachhaltig positiven Entwicklung überzeugt. Eine Erholung auf 3 bis 5% Wachstum pro Jahr halte ich für realistisch.
Sind von der aktuellen Entwicklung strukturelle Änderungen der fragmentierten KEP-Branche zu erwarten?
Das hängt vom Markt ab. Überall da, wo die Zollgrenzen weggefallen sind, wirkt sich der Nearshoring-Trend positiv aus, denn globale Lieferketten sind störanfällig. Grenzüberschreitende Mengen wachsen in Europa deutlich schneller als die Mengen in nationalen Systemen. Jeder grosse KEP-Dienstleister benötigt europaweiten Zugang, um dem nationalen Wettbewerbsdruck durch die im Vergleich deutlich profitableren Exporte ausgleichen zu können. Nearshoring ist dabei einer der Treiber. Die nationalen Systeme können bei langsamer wachsenden Mengen nicht wie 2022 mit mehreren Preiserhöhungen die Kostensteigerungen ausgleichen. Die Auslastung wird entscheidend. Die Stunde der Grossen kommt zurück – aber auch die Stunde der internationalen Kooperationen.
Würden Sie im heutigen Umfeld einen eigenen KEP-Dienst aus der Taufe heben?
Ich stehe sozusagen mittendrin, engagiere mich weiterhin in KEP-Diensten und versuche die Firmen auf globale und lokale Trends einzustellen. Die zentralen Themen bleiben Preis, Sicherheit und Qualität. Die Einhaltung des Lieferversprechens ist entscheidend. In der notwendigen Automatisierung und Digitalisierung sind die strengen Standards eines Schweizer Uhrwerks unabdingbar.
Der KEP-Markt hat die Pandemie gut überstanden, muss sich im Umbruch aber auf gute Dienstleistungen konzentrieren. Meine Tätigkeit innerhalb der Branche für das Investitions- und Beratungsunternehmen SKR ist eine der schönsten Aufgaben, die ich mir denken kann.