«Von Lissabon bis Kiew»
Im Gespräch mit Guido Porta, CEO, Inrail. Mit 20 eigenen Elektro- und fünf Diesel-Lokomotiven, 400 Mitarbeitern und einem Umsatz, der dieses Jahr 90 Mio. EUR (+10–12% gegenüber 2022) betragen soll, ist Inrail mit Sitz in Genua eine grosse italienische Güterbahngruppe mit grenzüberschreitenden Erfahrungen und Ambitionen. CEO Guido Porta beschrieb kürzlich dem ITJ, wie frisches Kapital neue Wege eröffnet – nach Osten und Westen.
Herr Porta, niemand kennt Inrail so gut wie Sie. Bitte nennen Sie die wichtigsten Schritte in der Unternehmensgeschichte.
Als einziges Bahnunternehmen mit privaten Gründern – ich selbst neben zwei weiteren Initiatoren – ist Inrail 2009 entstanden. Zugrunde liegt die Idee, nicht nur Traktion zu entwickeln, sondern weitere mit dem Kerngeschäft zusammenhängende Services anzubieten. Derzeit gehören zur Gruppe 15 Unternehmen: Neben weiteren EVU wie Fuorimuro in Genua und Metrocargo handelt es sich um Dienstleister im Rangierbereich, rollendes Material und in der Ausbildung. In der Wartung ist FVG Rail Marktführer in Italien und wird im September eine neue Grubendrehmaschine in Betrieb nehmen. 2021 ist Autobrennero zu 75% bei Inrail eingestiegen.
Welche Folgen hat das für die Tätigkeiten von Inrail?
Das gibt unserem Vorhaben, das Bahngeschäft auszubauen und die Geschäftsmöglichkeiten unserer Kunden zu erweitern, einen sehr grossen Schub. Für die Zukunft wichtig ist dabei, dass das bisherige Management im Amt bleibt und der Autobahnbetreiber entlang seiner Konzession vom Brennerpass bis nach Modena die multimodale Logistikinfrastruktur unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit voranbringen will, z.B. mit neuen Terminals.
Wo befinden sich die Standorte heute?
Unsere Terminals, in erster Linie die von Metrocargo, sind über Norditalien verteilt und werden mit unseren eigenen Zügen angefahren: von Borgo San Dalmazzo bei Cuneo im Westen über Mortara, Parma und Mantua bis San Giorgio di Nogaro bei Udine.
Darüber hinaus blicken wir auch Richtung Frankreich, genauer: Marseille und Paris. Hinzu kommt das Lager des zum Inrail-Netz gehörenden Unternehmens Arquata Logistic Services, das nördlich von Genau demnächst über 8000 m2 Fläche verfügen wird.
Aus welchen Wirtschaftszweigen kommen die Kunden von Inrail?
Grundsätzlich aus allen. Besonders stark sind Verlader aus den Bereichen Stahl, Getreide und Gas. Wozu wir im Pkw-Transport fähig sind, zeigt die Tatsache, dass BMW mit uns einen Teil des bisher fast ausschliesslich über die Nordrange geleiteten Exportvolumens nun über Ravenna führt. Dieser Adriahafen war auch Umschlagpunkt eines Inrail-Blockzugs aus dem Binnenland Serbien.
Also geht der Blick auch in östlicher Richtung über die Grenzen Italiens?
Ja, ganz besonders. Herausragende Projekte waren 2022 die Einrichtung einer Zuglinie für den Transport von Industrieruss über 1300 km von Genua über Slowenien bis nach Ungarn sowie 2021 der erste Zug zwischen Kroatien und Frankreich. Wir sind bestrebt, auf diesem Korridor zwischen Ost- und Westeuropa immer wichtiger zu werden, und wollen auch weitere Langstrecken anbieten.
Von Vorteil ist, dass Inrail als einziges italienisches EVU über das Single Safety Certificate für Slowenien und Kroatien verfügt. In Nova Gorica und Zagreb hat Inrail auch eigene Betriebsbüros. In Ungarn wiederum arbeiten wir mit einem festen Partner zusammen, was uns in der derzeit komplizierten Lage noch weiter östlich ebenfalls das Geschäft erleichtert.
Was ändert sich auch hier durch den Einstieg von Autobrennero?
Für eine private Gesellschaft ist es immer noch nicht einfach in diese Märkte, obwohl sie EU-Mitglieder sind, zu expandieren. Auch hierfür strategisch ist die gemeinsame Bildung von STR2, die 100% an Inrail, 95% an der RTC – Rail Traction Company und etwa die Hälfte an der Lokomotion GmbH hält. Mit Autobrennero ist der grösste private Bahnfrachtoperateur in Italien entstanden, der über 600 Mitarbeiter und einem Jahresumsatz von 180 Mio. EUR hat.
Wo wollen Sie damit noch investieren?
Mit demselben Ansatz, den wir in Slowenien und Kroatien verfolgt haben, wollen wir uns auch auf dem französischen Markt entwickeln. Das ist aufgrund protektionistischer Strömungen ebenfalls herausfordernd, aber wichtig. Denn in einem weiteren Zusammenhang wollen wir auf einem Korridor unabhängig operieren, der sich zwischen Lissabon und Kiew erstreckt.
Das Interview führte Andreas Haug.