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  • Sind die sieben fetten Jahre für Reeder endgültig vorbei?

Von: Christian Doepgen


Artikel Nummer: 47161

Ende der Ära des Oligopols?

Die EU-Kommission hat nach einem einjährigen Evaluierungsprozess entschieden, die kartellrechtlichen Sonderkonditionen für Reeder am 25. April 2024 auslaufen zu lassen. Zwar will die Europäische Kommission bis heute keinen mangelnden Wettbewerb oder eine Dominanz der Reeder in der Supply Chain ausgemacht haben, aber die Rücknahme dürfte für Dritte ein globaler Ansporn sein.



 
Es soll nicht vergessen sein: Die Reeder mussten über Jahrzehnte mit ihren Erträgen so weit unten durch, dass nur noch eine starke Konsolidierung den Markt aufrecht erhalten konnte. Zusätzlich genossen sie seit 2009, unter bestimmten Voraussetzungen, von den EU-Kartellvorschriften ausgenommen zu sein. Die Europäische Kommission hatte die Gültigkeit des bestehenden Rechtsrahmens 2014 und 2019 für jeweils fünf Jahre verlängert. Nun läuft die letzte Verlängerung am 24. April 2024 aus – und es wird seitens der EU keine weitere Frist geben.

 


Gegenvorstösse blieben lange Zeit erfolglos
Obwohl die grossen Carrier etliche Boom-Jahre hinter sich haben, schien das Bollwerk der EU-Gruppenfreistellungsverordnung lange Zeit unerschütterlich. Noch im Mai 2022 sahen auf einem von der Fiata in Genf organisierten Podium unter der Ägide ihres SVP Jens Roemer hochrangige Kartellexperten aus Afrika, China der EU und der USA keinen dringenden Handlungsbedarf. Sowohl Rebecca F. Dye von der Federal Maritime Commission der USA als auch Henrik Mørch von der EU-DG Comp sahen «ausreichend Konkurrenz im Markt» gegeben. Allenfalls zu Überprüfungen war man bereit (s. ITJ Daily vom 1.6.2022).


Nun haben die vereinigten Appelle, u.a. im Oktober 2022 von den zehn Verbänden Clecat, EBU, ESC, Espo, ETA, Feport, Fiata, GSF, Fidi und Uirr Wirkung gezeitigt. Eine Marktstudie der EU brachte es an den Tag: Zwar seien die Boomjahre 2020 bis 2022 weder historisch repräsentativ noch durch die Konsortienrechte verursacht, diese hätten aber – so die Aussage von 24 der 33 befragten Verladern und Spediteuren – zu einer qualitativen Verschlechterung der Dienstleistungen, einen starken Anstieg der Frachtkosten und einer Wettbewerbsverzerrung zwischen den Akteuren der globalen Lieferkette beigetragen. Die vertikale Integration der Carrier in Speditionstätigkeiten zu Lande hat die Entscheidung der EU mitverursacht.


Diese Entscheidung zieht erste Kreise ausserhalb der EU. So forderte in Grossbritannien Steve Parker, Generaldirektor der British International Freight Association (Bifa), die britische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde (CMA) dazu auf, «idealerweise dem Beispiel der EU zu folgen und nicht das Äquivalent der Gruppenfreistellungsregelung für die Schifffahrt im Vereinigten Königreich beizubehalten». Noch ist unklar, ob die Federal Maritime Commission (FMC) in Washington D.C. dem europäischen Weg folgen wird.  


 

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