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  • Von Berlepsch sieht die Branche als Vorreiter.

Von: Christian Doepgen


Artikel Nummer: 30197

Nicht 30 Jahre warten

In der Auswahl der Treibstoffe und der Antriebe von Schiffen stehen die grossen Reedereien vor der Qual der Wahl. Mit Richard von Berlepsch, Managing Director des Fleet Managements von Hapag-Lloyd, besprachen wir in Hamburg Für und Wieder der Optionen.


 


Herr von Berlepsch, Sie sind nicht nur ein Mann der Schifffahrt, sondern als Ingenieur auch mit technischen Fragen vertraut. Was halten Sie von der aktuellen ökologischen Diskussion?

Es wird in der Umweltdebatte vieles vermischt. Während viele von der allgemeinen Reduktion von Treibhausgasen sprechen, also einem globalen gesellschaftlichen Ziel, hat die Hochseeschifffahrt mit der Verordnung IMO 2020, die zum 1. Januar in Kraft getreten ist, zunächst eine Verringerung des Schwefel- ausstosses im Treibstoff um 85% beschlossen. Damit sind wiederum aber nicht automatisch alle Stickoxide oder Kohlendioxid gemeint.

 

 

Das heisst also: Viele reden – aber die maritime Wirtschaft legt konkret vor?

Absolut. Unsere Branche ist in der Reduktion der Emissionen ein «hidden champion».

 

 

Das geschieht aber zu einem hohen Preis.

Es ist wahr, dass die Einhaltung der IMO 2020-Regeln hohe Kosten verursacht. In der gesamten Hochseeschiffahrt fallen nach Schätzungen zusätzliche Aufwände von bis zu 60 Mrd. USD an, v.a. für die gestiegenen Kraftstoffkosten. Die Brennstoffhersteller bieten Treibstoff mit geringem Schwefelanteil derzeit mit einem Aufschlag von 250 USD pro Tonne gegenüber herkömmlichem Schiffsbrennstoff an.

 

 

 Auf welche Lösung setzt Hapag-Lloyd?

Wir haben uns in der Breite der Flotte für Treibstoffe mit geringerem Schwefelanteil entschieden. Wir rechnen bei Hapag-Lloyd im ersten Schritt mit Mehrkosten von jährlich ca. 1 Mrd. USD. Zusätzlich erproben wir mit der Umrüstung des Containerschiffs Sajir den Einsatz von LNG im dualen Antrieb.

 

 

Wie fangen Sie die neu entstandenden Kosten auf?

 Zunächst über das Mittel der Marine Fuel Recovery MFR, unserer generelle Fuel Charge, die seit dem 1. Februar 2019 in Kraft ist. Der Kunde kann auf Basis einer transparenten Berechnungsgrundlage Preiserhöhungen nachvollziehen und auch von niedrigeren Treibstoffpreisen profitieren, die wir ebenfalls weiter geben. Die IMO 2020 Transition Charge ITC gilt zusätzlich zur MFR seit dem 1. Dezember 2019 für FAK cargo, für das Spot- und «Quick Quotes»-Geschäft. Ausserdem werden von der ITC operative Umstellungskosten aufgefangen.

 

 

Wie ist das Echo ausgefallen?

 Das System ist nicht nur eingängig an Indizes, Bunkerpreise und Schiffsgrössen gekoppelt, es stellt auch keine Einbahnstrasse dar, da sich die Kosten u.a. bei sinkenden Treibstoffpreisen quartalsweise reduzieren können. Damit machen wir uns bei den Verladern Freunde. Wir gehen zudem davon aus, dass sich der Preis für Treibstoff mit 0,5% Schwefelanteil mittelfristig auf einem marktgerechteren Niveau einpendelt.

 

 

Wie beurteilen Sie andere technische Lösungen, z.B. Scrubber?

Die Abscheider benötigen bei der Reinigung des Treibstoffs an Bord ein erhebliches Mass an Energie, deswegen setzen wir auf andere Optionen.

 

 

Wie sieht es mit Brennstoffzellen aus?

Diese Technik der Umwandlung von Brennstoff in elektrische Energie ist für den Grosseinsatz noch nicht ausgereift.

 

 

Und LNG?

Bei fossilem LNG, einem Brückenbrennstoff, handelt es sich zu 90% um Methan. Bezogen auf den Brennwert wird bei der Verbrennung von Methan gegenüber Diesel z.B. etwa 10 bis 30% weniger CO2 erzeugt – eine interessante Technologie. Deswegen ist die Umrüstung der Sajir für uns eine solche Herzensangelegenheit [s. ITJ 23-26/2019, S. 11].

 

 

Wo liegt der Vorteil?

 Neubauten mit LNG-Antrieb kommen erst nach und nach auf den Markt – bis zur Verschrottung der letzten Einheiten mit traditionellem Antrieb werden noch Jahrzehnte vergehen. Mit der Sajir, einem 15 000 TEU-Schiff, das wir auf dualen Antrieb umrüsten, beweisen wir, dass man nicht 30 Jahre bis zur Umstellung auf LNG warten muss. Mit diesem Prototyp testen wir zahlreiche technische Neuerungen – und liegen bereits heute 60% unter dem Standardwert des Energy Efficiency Design Index (EEDI) für Verbrauch und Emissionen von Frachtschiffen.

 

 

Was halten Sie vom Einsatz von SNG?

Verflüssigtes synthetisches Erdgas (SNG) ist in einem entsprechend eingestellten LNG-Antrieb einsetzbar. Viele Entwickler halten synthetisches Methan oder die Beimischung von Wasserstoff aber nur für die zweitbeste Lösung, da die Verbrennung von SNG in Motoren weniger energieeffizient ist als Lösungen, die bereits existieren. Meiner Meinung nach befindet man sich hier technisch auf einem interessanten Weg, der aber noch nicht markt- und wettbewerbsfähig ist.