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  • Zwischen Nancy und Avignon macht der Güterzug einen Nachtsprung.

Von: Andreas Haug


Artikel Nummer: 35655

Wie in der Luftfahrt?

Eine französische Initiative will wieder Nachtzüge auf Europas Schienen sehen. Eine von behördlichen Stellen sowie von SNCF Réseau und der katalanischen Bahn (FGC) finanzierte Studie untersucht, ob gemischte Passagier-/Güterzüge eine Lösung sein könnten.


 

Zwar engagieren sich manche traditionsreiche Bahnunternehmen wie die ÖBB für die Renaissance der Nachtzugkultur. Aber vielleicht können andere, die noch zögern, einen Schub für die Umsetzung ihrer Überlegungen gebrauchen. Das müssen sich die seit Juni 2019 in der Association Objectif Train de Nuit vereinten Nachteulen gedacht haben. Beim Blick in den Himmel stellt sich die Frage: Was wäre die Luftfahrt – schon vor der Pandemie, und seitdem erst recht – ohne die Fracht? Denn ohne die Beiladung von Gütern sind die meisten Langstreckenverbindungen gar nicht rentabel zu betreiben.

 

Jetzt hat die Initiative eine von Rail Concept durchgeführte Machbarkeitsstudie vorgestellt, die von den französischen Grenzregionen Grand Est und Okzitanien sowie der Netzgesellschaft SNCF Réseau und den Ferrocarrils de la Generalitat de Catalunya (FGC) finanziert wurde. Untersucht wurde dabei, ob gemischte Güter-/Personenzüge, die nachts zwischen Barcelona und Frankfurt verkehren, technisch machbar und ohne staatliche Subventionen zu betreiben wären.

 

 

Die Vorzüge gemischter Nachtzüge

Die Nachfrage für diesen «Lunatrain» wäre wohl da. Nach Angaben des Vereins würden 550 m lange Zugkompositionen bis zu 300 Reisende und 13 Güterwaggons pro Nacht vom Mittelmeer über das Rhône- und Rheintal, auf deren Fernstras­sen Pkw wie Lkw von Staus ausgebremst werden, bis zum Main fahren – in jeder Richtung. Was den Frachtverkehr betrifft, käme man auf eine Verlagerung von jährlich 19 000 bis 30 000 intermodalen Transporteinheiten von der Strasse auf die Schiene. Zum Vergleich: Auf der Rollenden Autobahn zwischen dem luxemburgischen Bettembourg und Le Boulou an der französisch-spanischen Grenze waren es 60 000 im Jahr 2018.

 

Bei der Berechnung der Einnahmen kommt die Studie auf 12,3 Mio. EUR durch die Reisenden und 25,2 Mio. EUR durch die Fracht. Bei Ausgaben von 36,3 Mio. EUR bliebe eine Marge von 3%. Die erscheint dünn, aber würden Passagiere und Fracht getrennt verkehren, bliebe laut der Studie ein Defizit von 2,7 Mio. EUR. «Die Kombination verringert die Kosten pro Kilometer, und Frachtkunden können sich auf regelmässige Abfahrten verlassen», wie Eric Boisseau, der Präsident des Vereins, die wirtschaftlichen Ergebnisse zusammenfasst.

 

 

Die Grenzen einer guten Idee

Um Schritt zu halten, müssten die Güterwagen allerdings mit 160 km/h rollen. Dass es heute nur 120 km/h sind, ist für Boisseau kein unüberwindbares Hindernis, denn früher seien in Frankreich schon Güterwaggons mit 200 Stundenkilometern gefahren.

 

Doch das ist nicht das einzige praktische Problem. Passagiere müssten Umwege über Güterbahnhöfe und zusätzliche Zwischenhalte akzeptieren, während die Fracht ihre Trassen nachts nicht unbedingt mit Personenzügen teilen will. Nicht immer sind einfache Lösungen Zeichen von Genialität, aber die Idee steht jetzt jedenfalls im Raum.

 

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