Direkt trotz Distanz
In Pandemiezeiten sind Passagiere sehr selten in Flugzeugen zu sehen. Piloten sind natürlich «systenrelevant». Noch – denn es scheint, als ob die Krisensituation derzeit die technologische Entwicklung antreibt. Dafür sprechen gleich mehrere Drohnenprojekte.
Es gab eine Zeit, in der Startup-Talente von den Etablierten einer Branche abgeworben wurden. Heute läuft das öfter mal in der Gegenrichtung. So hat Iris Automation, ein 2015 gegründetes Unternehmen mit Sitz in San Francisco, das Detect-and-Avoid-Systeme entwickelt, am 5. Oktober mit der Ernennung seines neuen CEO überrascht – oder eben nicht: Jon Damush hat über 30 Erfahrung in Luftfahrttechnologie und Management – zuletzt als Senior Director, New Business Ventures bei Boeing Next.
Für Stadt und Land
Mit der Einstellung von Oliver Evans, dem früheren Frachtchef von Swiss, ist Matternet vor fünf Jahren denselben Weg gegangen. Nach kommerziellen Partnerschaften in der Schweiz und den USA hat das ebenfalls im Silicon Valley angesiedelte Drohnenunternehmen Ende September seinen ersten Kunden in Japan. Zusammen mit Japan Airlines unterstützt es das neue «Drohnenlogistik-Geschäftsentwicklungsprojekt» der Tokioter Stadtregierung.
War Matternet bisher erfolgreich auf der letzten Meile im Luftfraum von Ballungsräumen mit chronischen Strassenstaus unterwegs, verfolgt Drone Delivery Canada auch weiter entfernt liegende Ziele in dünner besiedelten Gegenden – neuerdings nicht nur in seinem Heimatland: Als erstes internationales Projekt wurde kürzlich die Zusammenarbeit mit Astral Aerial Solutions vereinbart. Hinter dem Unternehmen steht die kenianische Frachtfluglinie Astral Aviation, deren Gründer und CEO, Sanjeev Gadhia, schon länger die Möglichkeiten der unbemannten Luftfracht auslotet. «Von der kanadischen Technologie können unterschiedliche Sektoren in Afrika profitieren, speziell das Gesundheitswesen und der Zugang abgelegener Gemeinschaften», sagt er.
Unter anderen Luftfahrzeugen
Die Produkte des südchinesischen Drohnenherstellers Ehang, der sich als «weltweit führendes Technologie-Unternehmen für autonome Luftfahrzeuge (AAV)» sieht, teilen sich bereits den Luftraum in verschiedenen Umgebungen und Aufgabenstellungen. Jetzt hat er mit Ehang 216L die Logistikversion seines Flaggschiffs in den Himmel über Guangzhou geschickt. Mit 200 kg Nutzlast für verschiedene Anwendunen übertrifft es gemäss Ehang alle bisher verfügbaren AAV dieser Art. Zu seiner Fortbewegung nutzt es acht Arme und 16 unabhängige Motoren und Propeller.
Mehr Ähnlichkeit mit einem Flugzeug besitzt der Heron von Israel Aerospace Industries (IAI). Mit der Landung des Fluggeräts mit einer Länge von 8,5 m und einer Flügelspannweite von 16,6 m während des normalen Flugbetriebs auf dem internationalen Flughafen von Tel Aviv hat das Verteidigungs-, Luft- und Raumfahrtunternehmen Mitte September bewiesen, dass eine friedliche – und vielleicht auch fruchtbare – Koexistenz von Drohne und Flugzeug möglich ist. Zumindest strebt IAI jetzt die kommerzielle Vermarktung mit einer Nutzlast von 290 kg konkret an.
Grösser, höher und weiter
Eine weitere Stufe der Entwicklung sind unbemannte Luftfahrzeuge auf der Grundlage von Flugzeugen. So hat die chinesische SF Express im August zusammen mit China Aerospace Times Electronics den Erstflug der FH-98 durchgeführt. Diese basiert auf dem Y-5B-Doppeldecker, der wiederum von der AN-2 abgeleitet ist, und kann ihren 15 m3 grossen Frachtraum mit 1,5 t Last füllen.
Fedex schliesslich überlegt, wie seine kleineren Flugzeuge künftig auch ohne Pilot Fracht ausliefern können. Dazu tut sich der Integrator mit Reliable Robotics zusammen. Bereits im Juni hat dieses Startup aus Kalifornien eine Cessna 208 Caravan von Fedex ohne Pilot erfolgreich landen lassen.