Defensiver Höchststand
Während das Jahr 2018 in der globalen Hochseeschifffahrt einen Abschwung im Wachstum gebracht hat, sieht die Unctad bis 2024 Licht am Horizont. Die politischen Rahmenbedingungen werden jedoch nicht besser und der Wandel der Branche beschleunigt sich.
Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (Unctad) in Genf hat die Ausgabe 2019 ihres jährlichen Berichts über den Seeverkehr (Review on Maritime Transport) veröffentlicht, in der die Entwicklung des Seeverkehrs, der globalen Handelsflotte, der Tarife und Märkte, der Häfen sowie der rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen behandelt wird.
Eine Delle im Jahr 2019
Auch in der Analyse dieses Berichts wird der Schluss gezogen, dass der weltweite Seehandel im Jahr 2018 an Schwung verloren hat. Die Volumina wuchsen um 2,7%, blieben aber unter den historischen Durchschnittswerten von 3% der letzten Jahrzehnte bzw. unter den 4,1% des Jahres 2017. Schätzungen zufolge haben die Gesamtvolumina aber mit 11 Mrd. t ein Allzeithoch erreicht. Die Genfer Organisation erwartet für das Jahr 2019 einen leichten Rückgang auf ein Wachstum von 2,6%, aber langfristig eine jährlichen durchschnittlichen Wachstumsrate von 3,4% im Zeitraum bis 2024.
Auch dieser Bericht prangert wenig überraschend die bestehenden Unsicherheiten an: «Abgesehen von handels- und geopolitischen Kontroversen und Sanktionen standen Umweltauflagen, Treibstoffeinsparung und zunehmender Spannungen z.B. in der Strasse von Hormus – ein strategisches Nadelöhr der Schifffahrt – in den Schlagzeilen.» Daneben geisselt der Bericht die zu starke Abhängigkeit des Welthandels vom Werkplatz China, auf den in den letzten zehn Jahren fast die Hälfte des globalen Seehandelswachstums entfiel. Zuletzt wurden im Jahr 2018 Importe aus China auf ein Viertel des weltweiten Seehandels geschätzt. Der Entwicklung der chinesischen Wirtschaft eine Schlüsselrolle im globalen Seehandel zugebilligt, wobei in Genf die jüngste Reformagenda des Reichs der Mitte Sorgen auslöst, die eine Verlagerung von investitionsbedingtem Wachstum und verarbeitendem Gewerbe hin zu Konsumausgaben und Dienstleistungen fördert.
Trends einer neuen Normalität
Die Unctad zieht aus den aktuellen Gegebenheiten den Schluss, dass statt eines Übergangszeitraums die aktuelle Unsicherheit als die neue Normalität im Schifffahrtssektor zu betrachten ist. Ein geringeres Wachstum der Weltwirtschaft und des Welthandels zieht einige Trends nach sich, die nicht alle neu sind. Es überrascht wenig, dass sich Handelsströme und damit Lieferketten regionalisieren und die Technologie eine ebenso stärkere Rolle spielt wie ökologische Nachhaltigkeit. Hingegen werden sich in der Branche die Umwälzungen, die bereits in der Vergangenheit zu beobachten waren, verstärken: Carrier suchen zunehmend Wachstumsperspektiven ausserhalb ihrer klassischer Dienstleistungen, u.a. mit Land- und Binnenlogistik mit zusätzlichem Umsatzpotenzial. Die Unctad wertet aber die «Bemühungen von Schifffahrtsunternehmen, Frachtintegratoren zu werden» ebenso positiv wie die Anstalten einiger grosser globaler Containerlinien, regionale Liner zu akquirieren. Sie gelten als «ein Indiz für die Bemühungen der Branche, sich an veränderte Bedingungen anzupassen». Fragt sich, ob das reichen wird.