Mit Ruhe in den Sturm
Eine Dekade des Wachstums in der Deutschen Logistikindustrie könnte ihr Ende nehmen. Am Branchentreffen in Berlin herrschte dennoch Zuversicht.
Der Logistik-Indikator, den die Bundesvereinigung Logistik (BVL) jeweils quartalsweise veröffentlicht, zeigte Ende September deutlich nach unten. Geschäftsklima und Geschäftserwartungen lagen im Minus und die Geschäftslage nur knapp über der neutralen 100 Punkte-Marke. Bei dieser Ausgangslage hätte man befürchten können, dass am Deutschen Logistik-Kongress in Berlin die Stimmung gedrückt gewesen wäre. Dem war zum Glück nicht so. Schliesslich würde Pessimismus schlecht zum Charakter dieser Traditionsveranstaltung passen.
Wie 2008 – aber doch nicht
Offensichtlich war hingegen, dass sich die globale Konjunktur-Abkühlung nicht mehr nur auf ferne Grossunternehmen beschränkt, sondern auch die breit aufgestellte deutsche Logistikindustrie erreicht haben. «Die schlechten Indikatoren sind real und in der Praxis angekommen», sagte Robert Blackburn, Vorstandsvorsitzender der BVL anlässlich der Kongress-Eröffnung. Er betonte aber auch, dass Deutschland im Vergleich no gut dastehe, weil der private Konsum und die Bauindustrie die Konjunktur stützen würden. «Die aktuelle Lage fühlt sich ein wenig an wie im Jahr 2008 – zum Glück weniger extrem.» Blackburn nahm auch die anwenden Branchenvertreter im vollen Saal in die Pflicht. Nach zehn Jahren des Wachstums habe die Logistik genügend Substanz, um sich in einem Abschwung zu behaupten.
Minister will Pakete durch die U-Bahn schleusen
Auch der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer appellierte an den Wettbewerbsgeist der deutschen Logistikindustrie: «Deutschland ist Klassenbester und muss es auch bleiben.» Die nahenden Auflagen für mehr Umwelt- und Klimaschutz bezeichnete Scheuer als Chance, auch was die Schifffahrt betrifft. «In der Nordsee gelten bereits die strengsten Abgasnormen. Wenn andere Meere nachziehen, stehen wir mit unserem Know-how bereit.»
Ein Thema, das Deutschland regelmässig umtreibt, ist die Paketflut in den Innenstädten. Bereits heute werden jährlich 3,5 Mrd. Pakete ausgeliefert, bis in zehn Jahren soll ihre Zahl auf 9 Mrd. wachsen. Für den Verkehrsminister ist klar, dass ein Umdenken nötig ist: «Das aktuelle System ist nicht unendlich belastbar, deshalb braucht es andere Ansätze. Eventuell kann man nachts die U-Bahnsysteme nutzen und Mikro-Depots versorgen.» Auch Christian Grotemeier, Geschäftsführer von BVL.digital brachte in dieser Thematik neue Lösungen vor: «Die Bus- und Taxispuren könnten eigentlich auch von Kurierdiensten genutzt werden.» Auch wenn letztgenannter Vorschlag nicht ganz ernstgemeint war, zeigt er doch, dass Begegnungsorte wie der Deutsche Logistik-Kongress für Austausch und Dialog nachwievor gute Plattformen sind.