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Von: Christian Doepgen


Artikel Nummer: 47409

«Gesamtüberblick behalten»

Gespräch mit dem italienischen Vorsitzenden der International Chamber of Shipping (ICS). Der Internationalen Schifffahrtskammer, die 80% der Weltflotte vertritt, steht seit 2022 Emanuele Grimaldi vor. Der ICS-Präsident empfing im Rahmen der Welthafenkonferenz Christian Doepgen Anfang November in Abu Dhabi.


Die 1921 in London gegründete ICS, deren Mitglieder nationale Reederverbände sind, hebt ihre Stimme zu den grossen Zukunftsfragen der Schifffahrt wie Dekarbonisierung, Digitalisierung und Personalmangel. Die Welthafenkonferenz des IAPH bildete den geeigneten Rahmen für ein Gespräch mit dem ICS-Vorsitzenden Emanuele Grimaldi.

Zur Kernfrage der Deakarbonisierung hat Grimaldi eine klare Antwort: «Die sehr ehrgeizigen Fristen sind nur auf pragmatische Weise zu erreichen.» Man stimmt als langjähriger Partner mit den gesteckten Zielen der Weltschifffahrtsorganisation IMO überein, in der Branche bis 2050 klimaneutral zu sein. Bislang steht die Schifffahrt für etwa 2% der globalen Treibhausgasemissionen. Ein Patentrezept aber wird es in der Frage der Umsetzung nicht geben können.

«Ich plädiere für vielfältige Lösungen», so Grimaldi, der die Vor- und Nachteile der verschiedenen Antriebe und Treibstoffe vor Augen hat. Aus eigener Erfahrung weiss er z.B. um die Anforderungen, die der alternative Treibstoff Ammoniak stellt: «Der Maschinenraum muss bei Einsatz des Gases vom Rest des Schiffes isoliert sein». Das ist aber nur eine der Hürden, führt Grimaldi aus: «Der Schulungsbedarf der Schiffs-Crews ist gross. Und es gibt noch keine amtliche Regulierungungen für den Einsatz.»

Ob LNG, Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe als Brückentechnologien mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen für das Klima verwendet werden – wichtig ist, dass die Schifffahrt den Aufbruch fortsetzt.

Grimaldi erwartet mittelfristig «einen Cocktail von Treibstoffen» im Einsatz zur See. Scheuklappen sind hierbei nicht angebracht. Auch nuklearen Antrieben, z.B. auf Eisbrechern und Militärschiffen erprobt, will Grimaldi eine mögliche Bedeutung für die Handelsschifffahrt dann nicht absprechen, «wenn alle Sicherheitsfragen geklärt und die Crews entsprechend ausgebildet sind.»

Der ICS-Präsident hält zudem die für die Verringerung von Emissionen relevante CO2-Abscheidung und -speicherung für ein unterschätztes Thema, dessen sich die Branche anzunehmen hat.

Die Welthafenkonferenz der IAPH wertet Grimaldi als geeigneten Rahmen, um fällige Massnahmen abzustimmen: «Wir müssen alle Stakeholder an einen Tisch bringen, um den Gesamtüberblick zu behalten.» Die Hochseeschifffahrt ist dabei, ihre langfristigen Hausaufgaben anzugehen.


 

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