Eine Story zweier Romands
Im Gespräch mit Lorenzo Stoll, Head of Cargo, Swiss International Air Lines. Die Luftfracht hat innerhalb der Swiss International Air Lines an Bedeutung gewonnen. Dem bisherigen Motto «Connecting Switzerland to the World, we are the Airline of Switzerland» wurde jetzt hinzugefügt «und der Schweizer Wirtschaft». Was das auch für die Westschweizer Wirtschaft bedeutet, erklärte Frachtchef Lorenzo Stoll, seinerseits ein Romand, ITJ-Redaktor Andreas Haug im Mai auf der Air Cargo Europe.
Herr Stoll, wie ist das letzte Jahr für Swiss World Cargo gelaufen?
2022 war das beste Jahr, das wir je hatten. Grund war die Kombination einer aussergewöhnlichen Marktumgebung mit einer sehr hohen Nachfrage und einer relativ niedrigen Kapazität. Entsprechend gross war unser Beitrag am Gesamtergebnis der Fluggesellschaft, was uns mit Stolz erfüllt. So konnten wir uns mit unserer Strategie eines Nischencarriers mit Fokus auf hochwertigen Gütern bestätigt fühlen.
Wie sind Ihre Erwartungen für 2023?
Bis jetzt läuft es immer noch besser als 2019, aber natürlich weniger gut als 2022. Das liegt an der Erholung der Bellykapazität und der Seefracht – und einem Schrumpfen der Nachfrage von Konsum-, aber auch Technologiegütern. Global sehe ich eine Normalisierung des Geschäfts. Aber blickt man genauer auf Regionen und Routen, offenbaren sich Unterschiede, z.B. funktionieren Exporte aus der Schweiz immer noch sehr gut. Ex-USA ist in meinen Augen dagegen das Sorgenkind.
Swiss wird dieses Jahr 20. Wie hat sich der Beitrag des Frachtgeschäfts entwickelt?
Das Frachtgeschäft war und ist – mit Ausnahme der Pandemiejahre – ein sehr wichtiges Zusatzgeschäft für die Swiss International Air Lines. Wir tragen dazu bei, dass die Fluglinie für einen relativ kleinen Heimmarkt ein recht grosses Streckennetz bedienen kann. Während der Pandemie haben wir an Relevanz gewonnen, und es ist allen klar geworden, dass Fracht viel mehr als ein netter Bonus ist. Jetzt sind wir auch wesentlich enger in strategische Entscheidungsprozesse eingebunden, etwa bei Netzwerk- und Streckenplanung, Flugzeugtypen und sonstigen Investitionen.
Nach Wert verlässt heute die Hälfte des nationalen Exportgeschäfts die Schweiz im Flugzeug – kein Wunder beim finanziellen «Gewicht» der Uhren- und der Pharma-Industrie.
Die sind gerade auch in der Westschweiz Pfeiler von Wirtschaft und Gesellschaft. Auch andere Impulse kommen von dort – wie kam es etwa zu der schnellen Zusammenarbeit mit Swiss Airtainer (vgl. ITJ 19-20/2023, Beilage S. 10)?
Für mich handelt es sich hier um Schweizer Unternehmertum «at its best». Begonnen hatte alles, als ich als Westschweizer in einem regionalen Newsletter auf ein Start-up aus Yverdon gestossen bin, das sich Gedanken über einen neuen Luftfrachtcontainer macht, der autark sowie leichter und vernetzter als andere sein sollte. Dann griff ich zum Telefon, rief Eduard Seligman, den Mann hinter Swiss Airtainer, an und legte ihm mein Interesse an seinem Produkt dar. Er schränkte ein, dass es sich noch in der Entwicklung befände, aber wir einigten uns und sagten: «Let’s do innovation together!»
So hat die erfahrene Swiss World Cargo das junge Unternehmen Swiss Airtainer bei dem ganzen Papierkrieg unterstützt und durfte dann auch den ersten Flug mit dem fertigen Produkt durchführen.
Was imponiert Ihnen an diesem neuen Projekt am meisten?
Was mir daran besonders gefällt, sind die Aspekte Gewicht und Effizienz. Das führt mich zum nächsten Punkt, der mir am Herzen liegt, nämlich Nachhaltigkeit. Swiss ist bestrebt, ihre Ziele – 50% weniger CO2-Ausstoss in 2030 (vs. 2019) und CO2-neutrale Bilanz im Flugbetrieb in 2050 – durch Investitionen in die Erneuerung der Flotte, die Optimierung des Flugbetriebs und den Einsatz von SAF zu erreichen. Unsere Division trägt zu diesen Bemühungen bei, indem sie Innovationen zur Optimierung ihrer Frachtoperationen vorantreibt. Daran arbeiten wir stark mit SAF, Bioplastics und Karton statt Holzpaletten etc. Jetzt können wir als eine auf Pharma spezialisierte Fluglinie zusätzlich auf einen Partner wie Swiss Airtainer verweisen, dessen Container 250 kg leichter als herkömmliche ist. Das macht bei tausenden von Flügen pro Jahr schon eine zählbare Differenz. So sind wir froh, auf Swiss Airtainer gestossen zu sein.
«Wir» – also «Sie» persönlich?
So ist es. Das ist das Privileg, wenn man die Division leiten und sich mit strategischen Schritten beschäftigen darf. Und diese Sache finde ich so spannend und so schweizerisch: ein kleines Unternehmen von nirgendwoher so schnell mit so einer Idee – ich behaupte, ‹they are the next big thing in the industry›.