Es fehlt der offene Dialog
Die Gewichte in der Seefracht haben sich 2020 deutlich verschoben. Die Spediteure sehen vor allem wegen der Verzugs- und Termingebühren Gesprächsbedarf. Mit Jens Roemer und Markus Warnebold (Fiata) sowie Thomas Schwarzenbach (Spedlogswiss) sprach Christian Doepgen.
Wie sehen Sie die Lage der Seefracht, meine Herren?
J. Roemer: Als Vertreter der Arbeitsgruppe See der Fiata sehen wir, dass etwas mit dem Markt nicht stimmt.
Ist die gestiegene Nachfrage zur See nicht ein Vorteil?
J. Roemer: Es geht nicht nur um die hohen Raten in der Seefracht, sondern um überhöhte Verzugs- und Termin-überschreitungsgebühren (Demurrage & Detention).
M. Warnebold: Grundsätzlich war und ist Demurrage & Detention ein akzeptables Instrument, um den Containerfluss zu gewährleisten. Wird aber z.B. für drei Boxen ein Aufschlag von 88 000 USD verlangt, ist das Mass voll.
Wie sollten Demurrage & Detention eingesetzt werden?
J. Roemer: Die Antwort darauf hat die Federal Maritime Commission (FMC) als unabhängige US-Regulierungsbehörde im April 2020 geliefert. In erster Linie sind diese Gebühren ein Leistungsanreiz, der die Fluidität der Abläufe sicherstellen soll – aber keine Einnahmequelle.
Sind verlangsamte Supply Chains derzeit nicht ein Fakt?
M. Warnebold: Wie andere Player tragen die Reeder ihren Teil zu Verspätungen bei – mit ausfallenden oder verlangsamten Loops. Zudem ist der Datenaustausch nicht weit genug fortgeschritten, so dass wichtige Termine wie der Entladezeitpunkt erst spät bekannt werden.
J. Roemer: Die Gründe liegen zudem in den Kapazitätsgrenzen der Infrastruktur in den Häfen, die keine schnellere Abfertigung erlaubt. Der Einsatz von Grosscontainerschiffen hat deswegen Abläufe verlangsamt – so müssen heute Exportcontainer vier statt früher zwei Tage vor Abfahrt im Terminal angeliefert sein.
Welche Vorgehensweise schlagen Sie vor?
T. Schwarzenbach: Kommunikation und Kooperation von Reedern und Spediteuren sind der Schlüssel. Wir haben deshalb unseren Mitgliedsfirmen das Fiata/FMC-Toolkit zugänglich gemacht.
J. Roemer: Die maritime Supply Chain ist zur Zeit nicht planbar, hier können wir ansetzen. Ein Erfolgsmodell könnten z.B. so genannte «enforceable contracts» werden, in denen sich beide Seiten zu klaren Lieferbedingungen verpflichten. Ein besserer Datenaustausch ist auch ein Ansatzpunkt. Auf diese Weise können wir Spediteure z.B. proaktiv drei bis fünf Tage vor Anlieferungs- und Entladezeitpunkt mit der Arbeit beginnen und die Ladung schneller abfertigen, was die Dienstleistung verbessert. Wir stehen alle für die Verlader als gemeinsame Kunden in der Pflicht.
Sehen Sie Ansätze für eine Besserung der Lage?
J. Roemer: Im Hafen Antwerpen z.B. tragen die Initiativen für verlässliche Lieferdaten die ersten Früchte. Hieran lässt sich anknüpfen.
M. Warnebold: Investitionen in mehr Container und Schiffe sind das eine. Wir benötigen grundsätzliche Lösungen – im Dialog mit Reedern.