Tor zum Maghreb bleibt offen
In einem regional spezialisierten Markt wie dem Maghreb spricht man am besten mit einem Fachmann, wenn man den aktuellen Entwicklungen hinterhergehen möchte. Mit Habib Bouricha, Gründer und Eigner der Tandem-Gruppe seit nahezu zehn Jahren, sprach Christian Doepgen zu aktuellen Projekten und künftigen Potenzialen im Heimatmarkt Tunesien, dem nahen Libyen und in Algerien.
Wie verlief das erste Quartal 2020 für die Gruppe – im Vergleich mit 2019?
Das Jahr 2019 war für die Einheiten der Tandem-Gruppe, Tandem Logistics, Tandem International und We Logistics, eher eine Fortsetzung der positiven Marktentwicklung in Nordafrika seit dem Vorjahr 2018. Viele Ausschreibungen, ob in Tunesien, Algerien, Marokko oder sogar Libyen, stehen für eine Umsetzung bis 2021 an. Wir sind gespannt und freuen uns weiterhin auf Projekte in 2020.
Wie beurteilen Sie die Geschäftsmöglichkeiten im schwierigen Markt Libyen?
Im Jahr 2019 haben wir viele Exporte nach Libyen getätigt. Viele Ölgesellschaften, auch die grossen Marken, haben ihre Aktivitäten wieder aufgenommen. Libyen ist auch für Tunesien wichtig, weil z.B. die gesamte für Tripolis bestimmte Luftfracht über Tunis geleitet wird. Neue Kraftwerke, Raffinerien und Bohrvorhaben sind in Vorbereitung. Europa und Russland hatten sich zuletzt für eine Friedenslösung stark gemacht, um das Land zu beruhigen und das Klima für Investitionen zu verbessern. Dann kam das Coronavirus...
Bleibt Tunesien das Tor zum Maghreb für internationale Projekte?
Tunesien spielt in Nordafrika aufgrund seiner geografischen Lage, seiner Vielzahl von Häfen und der täglichen Verkehre von Schiffen von und nach Europa nach wie vor eine sehr wichtige Rolle.
Die Freihandelszone Zarzis sehe ich als das Tor zu Nordafrika, übrigens auch als Hub für die Montage von Schwergutfracht, die anschliessend nach Algerien oder das 60 km entfernte Libyen exportiert wird – was die Versandkosten deutlich senkt. Auch für EPC-Projekte in Libyen ist Zarzis als Lager-, Überprüfungs-, Sammel- und Konsolidierungsbereich geeignet. Schliesslich gewinnt dieser Hub auch als Lieferantenlager für Chemikalien für Erdöldienstleister an Bedeutung – ein Wettbewerbsvorteil für diejenigen, die sich darauf vorbereitet haben.
Wie wirkt sich die Krise in der Öl- und Gas-Industrie auf laufende Projekte, z.B. im algerischen Markt, aus?
Algerien, das fast 1 Mio. Barrel pro Tag fördert und mit Sonatrach das erste Unternehmen der Öl- und Gas-Branche in Afrika stellt, steht im Zentrum der Krise. Die Sonatrach-Gruppe plant, ihr Budget 2020 um 50% zu kürzen und Projekte zu verschieben. Viele Projekte, die Hassi Messaoud Raffinerie mit einer Kapazität von 5 Mio. t pro Jahr oder das South West Gas Fields Development Project, laufen aber weiter. Algerien verfügt zudem über 20 Bio. m3 technisch verwertbares Schiefergas, die drittgrösste ungenutzte Schiefergasressource weltweit.
Das Team ist die Garantie für den Erfolg, lautet Ihr Credo. Wie organisiert man die Arbeit während einer Pandemie?
Ehrlich gesagt bin ich beeindruckt von der Leistung und Effizienz des Teams im Homeoffice. Ich bin stolz darauf, so engagierte Mitarbeiter zu haben, die immer wieder ihre Stärke bei der Anpassung an unterschiedliche Situationen zeigen. Diese Umstellungen machen uns stärker – und ermöglichen es uns auch, uns auf unsere digitale Entwicklung zu konzentrieren. Die Auslieferung von Aufträgen erfolgt heute direkt beim Kunden. Wir erfüllen dabei sämtliche Schutz- und Hygiene-Vorschriften, auch in unseren Räumlichkeiten und Transporteinheiten.
In welche Richtung geht das Geschäft zum zehnjährigen Jubiläum von Tandem?
Wir wurden bereits von multinationalen Unternehmen auf einen Verkauf angesprochen und haben abgelehnt, weil wir davon begeistert sind, eine Mission zu erfüllen und unserem Motto gerecht zu werden: «Wir sind Ihr nordafrikanischer Logistikpartner». Wir investieren weiter in Nordafrika und sind immer da, um bei Grossprojekten in der Region zu unterstützen. Ich hoffe, dieses Virus lässt uns bald zum normalen Leben zurückkehren.